„Wir kommen voran, haben aber noch viel vor uns“

Interview mit KfW-Abteilungsleiterin Arlina Elmiger über den Stand der Digitalisierung in der Entwicklungszusammenarbeit und warum die KfW hier ihre großen Ziele erfüllen muss.

Frau Arlina Elmiger (Leiterin der Abteilung Digitalisierung, Innovation und Kommunikation der KfW Entwicklungsbank) und Frau Christiane Laibach (mit KfW-Vorstands-Mitglied) im Gespräch
Arlina Elmiger, Leiterin der Abteilung "Digitalisierung, Innovation und Kommunikation" der KfW Entwicklungsbank, im Gespräch mit KfW-Vorstandsmitglied Christiane Laibach

Wir stehen inmitten einer Poly-Krise: der Nahost-Konflikt, der Krieg in der Ukraine, Rezession, Energiekrise, dazu Klimawandel, Artenschwund und eine gerade erst halbwegs überstandene Corona-Pandemie. Es war schon vorher schwierig, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen; die jetzigen Krisen erschweren das zusätzlich. Kann die Digitalisierung hier Abhilfe schaffen?

In der Tat ist schon länger und spätestens seit dem SDG-Gipfel im September 2023 klar, dass die Ziele ehrgeizig sind. Ebenso klar ist aber weiterhin, dass wir sie ohne Digitalisierung kaum noch erreichen können. Das gilt jetzt erst recht, angesichts der international schwierigen Lage, in der wir uns befinden.

Gibt es Bereiche, bei denen die Digitalisierung besonders wirkungsvoll ist?

Eigentlich gibt es keinen Sektor, in dem digitale Technologien, die Vernetzung sowie das Erfassen und Nutzen von Daten keine Wirkung haben. Ein paar Beispiele: Bei der Geschlechtergleichstellung lassen sich durch digitale Identitätsnachweise (e-ID) finanzielle Inklusion und Teilhabe von Frauen deutlich verbessern; durch Datenanalysen können Produkte, Dienstleistungen und Vermarktungswege stärker auf Bedürfnisse von Frauen zugeschnitten werden. Im Gesundheitssektor kann Digitalisierung Ungleichheiten abbauen, wenn etwa die ländliche Bevölkerung durch Telemedizin eine bessere medizinische Versorgung erhält. Auch im Klimabereich sind die digitalen Potenziale bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Klimarelevante Daten durch Sensoren, Satelliten, Daten- und Managementinformationssysteme zu sammeln und zu nutzen hilft – in unseren Projekten und darüber hinaus –, die Reduktion von CO2 zu messen oder Anpassungsszenarien zu modellieren. Und schließlich sind natürlich die Möglichkeiten, etwas aus der Ferne zu bearbeiten und voranzutreiben, das sogenannte Remote-Arbeiten, sehr vielversprechend. Dabei können auch Geodaten wertvolle Hilfe leisten. Das Arbeiten aus der Ferne wird vor allem für unsere eigene Tätigkeit als Entwicklungsbank immer wichtiger, weil wir dann Vieles von hier aus erledigen können.

Raum mit mehreren Bildschirmen, auf einem zeigen zwei Kollegen Bilder aus einer Baustelle, auf den anderen sieht man den Grundriss, einige Statistiken und weitere Kollegen, die zusehen.
Virtueller Projektbesuch via "Remote Management, Monitoring and Verification" (RMMV)

Welche Aspekte sind für die KfW in der Beratung ihrer Partnerländer bei der digitalen Transformation besonders wichtig?

Digitalisierung kann auch zur Einschränkung von Freiheiten, zur Verstärkung von Ungleichheiten oder zu Abhängigkeiten von privaten Konzernen führen. Daher wollen wir unsere Partner dabei unterstützen, die eigene digitale Transformation werteorientiert, d.h. sozial und nachhaltig zu gestalten. Digitale Souveränität ist hier das Stichwort und beinhaltet die Förderung öffentlicher digitaler Infrastruktur und digitaler öffentlicher Güter, um offene Systeme und Standards voranzubringen.

Haben Sie konkrete Beispiele?

Die Entwicklungsbank hat mit TruBudget bereits eine Open Source-Lösung für die EZ entwickelt und wird sie jetzt im Auftrag des BMZ mit vielen Partnerländern nutzen. TruBudget ist eine ausgereifte Softwarelösung, die die Zusammenarbeit mit unseren Partnern bei der Projektfinanzierung grundlegend verändern wird. Basierend auf der Blockchain-Technologie liefert die Software zuverlässige Echtzeitdaten und ermöglicht so eine stärkere Nutzung von Partnersystemen. TruBudget verbessert daher nicht nur die Transparenz, sondern auch die Nachhaltigkeit und Effizienz bei der Verwaltung von Entwicklungsprojekten. Das ist ein großer Schritt für mehr digitale und finanzielle Souveränität unserer Projektträger. Wir haben TruBudget auch als sogenanntes „Digital Public Good“ zertifizieren lassen, also als eine Open Source-Anwendung, die einen Beitrag zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele leistet.

Wie weit ist die Digitalisierung in der KfW Entwicklungsbank gediehen?

Wir sind mittendrin und haben dafür eine eigene Abteilung, die die digitale Transformation in der KfW Entwicklungsbank mit den Mitarbeitenden gestaltet. Dazu gehören zum Beispiel Digital Scouts, die digitale Potenziale im FZ-Förderportfolio aufspüren und identifizieren; wir haben digitale Promoter, die sich darum kümmern, die KfW stärker mit der Außenwelt zu vernetzten, und Businessanalysten, die die digitalen Bedarfe der Mitarbeitenden in die IT-Sprache übersetzen und in einer eigenen agilen Einheit gemeinsam mit der IT umsetzen. Alle zusammen versuchen wir, die Prozesse effizienter und vor allem medienbruchfrei und ohne Mehrfacheingaben zu gestalten. Dabei spielen Daten für uns eine zentrale Rolle. Denn über die bessere Nutzung und Analyse von Daten können wir Förderentschei-dungen mit Blick auf den bestmöglichen SDG-Beitrag evidenzbasierter treffen und unser Portfolio noch wirkungsorientierter steuern. Das ist eine große Aufgabe.

Wie genau soll das funktionieren?

Wir wollen ein Portfolio-Management-Tool als zentrale Plattform für alle relevanten internen Prozesse etablieren, das uns in die Lage versetzt, unseren Arbeitsalltag digitaler und nutzerfreundlicher zu gestalten. Die Kolleginnen und Kollegen können dann schnell auf relevante Portfolio-Daten zugreifen und werden auch durch die Prozesse geführt. Auf diese Weise kann man nicht nur das Portfolio digital verwalten, sondern zum Beispiel auch Wirkungs- und Klimaanalysen erstellen. Von der Pflege zentraler Projektdaten über die Planung von Meilensteinen und dazugehörigen Aufgaben entlang des Projektzyklus – alles wird an einer Stelle gesteuert und aktualisiert. Damit reduzieren wir Medienbrüche und erleichtern die Zusammenarbeit im Team. Unsere zahlreichen Prozesse werden viel einfacher, übersichtlicher und strukturierter. Derzeit arbeiten wir zudem mit Hochdruck an einer sogenannten U&S-App, mit der die Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung für FZ-Vorhaben digital unterstützt werden soll. Einen spürbaren Digitalisierungsschub wird es mit dem Projektplanungstool und dem Einstiegs- und Navigations-Cockpit geben, die wir derzeit vorbereiten.

Lässt sich das Tool auch mit anderen vernetzen?

Das ist das Ziel. Mit der „Open Data-Plattform“, die einen umfangreichen Katalog an offenen Datenquellen bereitstellt und einen interoperablen Datenaustausch fördert, haben wir hier einen wichtigen Schritt nach vorne gemacht. Letztendlich soll die Plattform natürlich auch unseren Partnern und Peers zugänglich sein.

Wo steht die KfW im Vergleich zu anderen Entwicklungsorganisationen Ihrer Einschätzung nach?

Wir sind derzeit eher im Mittelfeld. Daher müssen wir jetzt mehr Gas geben, damit wir den großen Push realisieren können, den wir brauchen. Beim digitalen Portfolio haben wir hingegen deutliche Fortschritte gemacht: Rund 27 % unserer Neuzusagen haben eine digitale Komponente, gegenüber 10 % im Jahr 2021. Um das digitale Potenzial in unseren Projekten zu nutzen und unsere Partner bei der digitalen Transformation zu begleiten, braucht es neue Herangehensweisen bei der Projektplanung, Implementierung und Zusammenarbeit innerhalb der FZ, mit den Partnern und anderen Stakeholdern in diesem sehr dynamischen Umfeld. Dabei gilt: Je besser wir selbst intern aufgestellt sind, desto besser können wir die Möglichkeiten der digitalen Technologien in Projekten nutzen. Unsere Partner können wir nur qualifiziert beraten, wenn wir die Themen aus eigener Anschauung kennen.

Die KfW Entwicklungsbank hat 2020 eine eigene Digitalstrategie verabschiedet, in der zum Beispiel steht, dass sie bis zum Jahr 2025 ein führender Partner bei der Entwicklung und Finanzierung digitaler Lösungen zur Erreichung der SDGs sein möchte. Wo steht die KfW hier? Ist das zu schaffen?

Es bleibt weiter eine große Herausforderung, v. a. die interne Digitalisierung zu beschleunigen. Relativ weit vorne sind wir beim Thema „Remote Management, Monitoring and Verification ( RMMV)“, also dem Steuern von Projekten aus der Ferne. Da haben wir die Zeit der Corona-Pandemie genutzt und auf den umfangreichen Erfahrungen der Projektarbeit in fragilen Ländern aufgebaut, in denen wir aufgrund der Sicherheitsrisiken schon seit Jahren Projekte aus der Ferne planen und umsetzen. Anfang 2023 haben wir eine Reihe entsprechender Best-Practice-Lösungen bei einer virtuellen Konferenz vorgestellt. Auch ein RMMV-Handbuch wurde veröffentlicht, das den Mitarbeitenden, Projektpartnern und Dienstleistern der KfW helfen soll, Projekte auch bei eingeschränktem Zugang zu den Standorten umzusetzen bzw. besser zu überwachen. Außerdem verfügen wir mittlerweile über diverse Büros in Frankfurt mit der nötigen Ausstattung für virtuelle Projektbesuche, von denen aus man zum Beispiel den Baufortschritt eines Gebäudes detailliert verfolgen kann. Neben der schon erwähnten Open Data Plattform haben wir mittlerweile auch eine Suchmaschine für unstrukturierte Daten und ein Business Intelligence Tool zur Auswertung unserer Portfoliodaten. Wir planen den Einsatz von KI und den Ausbau von Jobroutinen, damit wir v. a. in der Abwicklung unserer Prozesse schneller und besser werden. Digitalisierung ist kein Spurt, sondern ein Marathon.

Braucht es für die Veränderungen einen anderen Typus Mitarbeiter? Ändert sich hier gerade das Stellenprofil der Entwicklungszusammenarbeit?

Die Welt hat sich insgesamt verändert. Digitalisierung findet überall statt, wir müssen alle digitaler und technikaffiner werden, um in vielen Bereichen mithalten zu können. Deshalb denke ich, der generelle Wandel in der KfW ist nicht größer als in anderen Lebensbereichen. Aber klar ist auch, in dieser neuen digitalen Welt muss man agiler, anpassungsfähiger und flexibler sein als früher.

Es geht also um mehr als Technik...

Absolut. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, etwas für technikverliebte Nerds, sondern sie muss immer Ziel und Richtung haben. Deshalb braucht es neben Technik, Systemen und Strategien auch eine Haltung, zum Beispiel zu Datenschutzfragen. Und es braucht Menschen, die in der Lage sind, mit dieser Technik umzugehen. Erst wenn alle diese Faktoren zusammenkommen, können wir die Vorteile der Digitalisierung im Sinne der Nachhaltigkeit und der SDGs nutzen und in Wert setzen.

Das Interview führte Friederike Bauer.