Aus der Ferne steuern – in Zeiten von Corona besonders wichtig

Chancen von Remote-Ansätzen: Von bisherigen Erfahrungen aus fragilen Staaten lernen

zwei Kollegen stehen vor einem Bildschirm auf dem sie auf eine Baustelle eines Gebäudes in Kabul schauen
Blick in ein Gebäude in Kabul; selbst Menschen und Details wie Verstrebungen lassen sich gut erkennen.

Nach Kabul zoomen, das Gebäude finden, einen Blick ins Innere werfen, schließlich den Baufortschritt begutachten – all das ist mit wenigen Berührungen des Bildschirms auch in der KfW möglich. Und zwar im RMMV-Lab, das es seit einigen Monaten gibt. Der separate Raum im 6. Stock der Frankfurter KfW-Südarkade ist mit diversen Screens und damit hochmoderner Hard- und Software ausgestattet, um die Projektsteuerung aus der Ferne, das sogenannte „Remote Management, Monitoring and Verification“ (RMMV) weiter zu entwickeln.

Eingerichtet wurde das Lab als Versuch und zunächst für die Abteilung Afghanistan, Pakistan und Irak. Die Lage vor allem in Afghanistan ist derart fragil, dass Reisen dorthin gar nicht mehr oder nur noch in Ausnahmefällen erlaubt und möglich sind, und das schon seit vier Jahren. Dabei unterhält die KfW in dem Land am Hindukusch ein laufendes Portfolio von rund 1,4 Mrd. EUR. Um die Vorhaben dennoch fortzusetzen und gleichzeitig die operativen Risiken möglichst gering zu halten, blieb gar nichts anderes übrig, als die Projekte anders und verstärkt auch von Deutschland aus zu überwachen, ergänzend zum Ausbau der Tätigkeit lokaler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort.

Raum mit mehreren Bildschirmen, auf einem zeigen zwei Kollegen Bilder aus einer Baustelle, auf den anderen sieht man den Grundriss, einige Statistiken und weitere Kollegen, die zusehen.
Das Lab ist mit hochmodernen Bildschirmen ausgestattet.

Von diesen Erfahrungen lässt sich in Zeiten von COVID-19 für andere Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit lernen, denn zwischenzeitlich herrschte – oder herrscht noch immer – fast überallhin Reisestopp, der Bedarf an sogenannten „remote“ Lösungen wächst. Welche Chancen sich daraus ergeben und welche Aspekte zu beachten sind, darüber hat die KfW aus ihrer Erfahrung mit fragilen Staaten einige generelle Erkenntnisse gewonnen:

1. RMMV in Betracht zu ziehen, lohnt sich immer: RMMV ist ein Instrument, das sich als – kleinere oder größere – Komponente für viele Vorhaben anbietet. Zu prüfen, wie „Fernsteuer-Elemente“ in ein Vorhaben eingebaut werden könnten, ist deshalb immer die Mühe wert. Es braucht dafür nicht sofort umfassende Projekte, die ausschließlich darauf setzen, aber es sollte schon bei der Projektplanung mitgedacht werden.

2. Es geht um mehr als Technologie: RMMV-Ansätze werden häufig gleichgesetzt mit technischen Lösungen, mit Satellitenbildern, Drohnen und anderen digital-gestützten Tools. Tatsächlich ist aber zwischen personen- und technologie-getriebenen Ansätzen zu unterscheiden. Bei ersterem handelt es sich zum Beispiel um Personal vor Ort, entweder lokale Mitarbeiter der KfW oder Consultants, die weiterhin Zugang zur Projektregion haben oder sich verschaffen können. In der Regel empfiehlt sich eine Kombination aus beidem, weil eine Steuerung und Überwachung nur mit digitalen Mitteln nicht alle Informationen liefern kann. „Wir riechen nichts, wir schmecken nichts. Wir können einen Pfeiler nicht ausgraben, um zu schauen, ob er so tief in der Erde steckt wie geplant“, begründet Portfoliomanagerin Dr. Anja Hanisch aus dem Team Governance und Frieden den Vorteil.

3. Besonders geeignet für fragile Staaten und bei großen Projektgebieten: RMMV ist besonders interessant im fragilen Kontext, wenn Länder und Zielgebiete nicht bereist werden können. Oder wenn sich Vorhaben über eine große Fläche erstrecken, beispielsweise bei Dezentralisierungsvorhaben oder bei Biodiversitätsprojekten, etwa bei Aufforstung. Dort können Satellitenbilder zum Einsatz kommen. „Nach Sektoren lässt sich der Nutzen von RMMV bisher nicht unterscheiden, sondern er hängt vielmehr vom konkreten Projektdesign ab“, sagt Portfoliomanagerin Maja Bott, die wie Hanisch schon viel Erfahrung mit RMMV gesammelt hat.

4. Viel Vorbereitung, höhere Anfangskosten: Für Portfoliomanager ist der Aufwand mit RMMV am Anfang höher. Der genaue Bedarf muss definiert, die Technik eingestellt oder vielleicht sogar beschafft werden. Es braucht andere Projektunterlagen, möglicherweise andere Consultants und alles muss am Ende ausgewertet und nachbereitet werden. Ist der Prozess erst einmal aufgesetzt, kann RMMV die Arbeit langfristig allerdings erleichtern und gegebenenfalls auch Kosten senken. Häufig geht es aber gar nicht um Aufwand und Kosten, sondern darum, Projekte überhaupt durchführen zu können, weil sie anders nicht möglich wären, wie zum Beispiel im konfliktreichen Norden von Mali – oder eben in riskanten Corona-Gebieten.

5. Datensicherheit vor Ort entscheidend: Beim Einsatz von Technologien werden jede Menge Daten erhoben. Deshalb ist immer zu prüfen, was im jeweiligen Land erlaubt ist. Darf man Drohnen einsetzen? Kann man Satellitenbilder auswerten? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Sonst nützt die schönste Technik nichts, oder Informationen sind fehlerhaft. Wichtig ist auch der Datenschutz, denn die KfW möchte mit ihren Projekten niemanden in Gefahr bringen. Solche Überlegungen vorab anzustellen, ist für den Erfolg jedes RMMV-Ansatzes entscheidend.

Das sind die wichtigsten aus einer langen Reihe Ergebnisse, die das Team Governance und Frieden erarbeitet und in einem gleichnamigen Handbuch gebündelt hat. Das Handbuch beschreibt diverse RMMV-Ansätze, deren Methoden und Werkzeuge. Ursprünglich gedacht als Anleitung für Portfoliomanager, die in konfliktreichem Umfeld agieren müssen, kommt es jetzt in der Corona-Krise mehr als gelegen. „Das Handbuch ist ein lebendes Dokument“, sagt der zuständige Teamleiter Michael Gruber, „denn wir lernen permanent dazu, sowohl technisch als auch bei den Anwendungsmöglichkeiten. Und das wird über die Pandemie hinweg so bleiben. Die Entwicklungszusammenarbeit ändert sich gerade rasant.“

Wie RMMV genau funktioniert, können Sie auch in diesem kurzen Film sehen