Trinkwasser aus dem Meer

Eine Entsalzungsanlage rettet die indische Millionenstadt Chennai aus der Wasserkrise

Drei Arbeiter vor einer Bucht
In der Filterhalle der Entsalzungsanlage wird das Meerwasser mit Druck durch Filter gespült, die das Salz entfernen: Es entsteht Trinkwasser.

Die Millionenstadt Chennai im indischen Tamil Nadu wächst rasant. Gleichzeitig erschöpfen sich ihre Wasserreserven. Ausbleibender Monsun und jahrelange Dürre führten bereits zu einer Krise, bei der Wasser mit Tankwagen aus entfernten Regionen herbeigeschafft werden musste. Im Auftrag der Bundesregierung hat die KfW nun den Bau einer Meerwasserentsalzungsanlage mitfinanziert, die bis zu eine Million Menschen mit Trinkwasser versorgt.

Die schnell wachsende Millionenstadt Chennai im indischen Tamil Nadu saß 2019 buchstäblich auf dem Trockenen: Kein Tropfen kam mehr aus den Wasserhähnen. Der regenspendende Monsun war ausgeblieben. Nach vier Dürrejahren waren die vier Wasserreservoirs der Stadt erschöpft. Auch der Grundwasserspiegel war durch Übernutzung gesunken. Aufgrund des Wassermangels mussten Hotels und Restaurants schließen. Die Krise führte auch zu einer sozialen Spaltung. Begüterte Familien kauften Wasser, das mit Tausenden von Tankwagen aus anderen, weit entfernten Regionen angeliefert wurde. Ärmere konnten sich das nicht leisten.

Das Trockenfallen der Wasserspeicher könnte sich jederzeit wiederholen. Denn der Klimawandel hat auch dazu geführt, dass sich die jährlichen Niederschläge des Monsuns verschieben, reduzieren oder ganz ausbleiben. Gleichzeitig wächst Chennai weiter. Jährlich nimmt die Bevölkerung um 8 % zu. Bereits heute wohnen im Großraum der Metropole geschätzt 12 Millionen Menschen.

Energiesparendes Verfahren

Um genügend Trinkwasser für die Menschen in Chennai bereitzustellen, hat sich die Regierung des Bundesstaats Tamil Nadu entschlossen, eine Meerwasserentsalzungsanlage zu bauen. Zu den umgerechnet 170 Mio. Euro, die der Bau kostet, hat die KfW im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 100 Mio. Euro in Form eines langfristigen Kredits beigesteuert, den Rest trägt das indische Bundesland. Die KfW bietet einen Kredit mit 20 Jahren Laufzeit, abgestimmt auf die Amortisationsphase der Anlage. Diese Konditionen sind sonst am Markt nicht zu finden.

Drei Arbeiter vor einer Bucht
Die Behörden hatten u. a. mit schlechtem Wetter und rauer See bei den Offshore-Arbeiten zu kämpfen – trotzdem konnte die Anlage in kurzer Zeit fertiggestellt werden.

Die Entsalzung von Meerwasser wird seit längerem weltweit genutzt, um den Bedarf an Trinkwasser zu decken, wenn es keine andere, kostengünstigere Möglichkeit gibt. Meerwasser ist zwar im Überfluss vorhanden, aber das Entsalzen ist energieaufwendig und damit teuer. Ein technischer Fortschritt hat den Energiebedarf immerhin halbiert: Die Umkehrosmose ist ein Verfahren, bei dem Meerwasser durch feine Membrane gedrückt wird, die das Salz zurückhalten. Die von der KfW finanzierte Anlage in Chennai nutzt diese Technik in einer besonders energiesparenden Variante.

Größte Entsalzungsanlage Chennais

Die neue Anlage, die im Süden der Stadt entstanden ist, hat eine Kapazität von 150 Millionen Liter pro Tag. Damit ist sie die größte der jetzt drei Anlagen Chennais. Eine weitere, noch größere Anlage ist bereits in Planung. Die von der KfW mitfinanzierte Anlage liefert Wasser für bis zu eine Million Menschen. Sie wurde im Frühjahr 2024 eingeweiht. Trotz Hindernissen wie COVID, rauer See, die die Offshore-Bauten behinderte, und der begrenzten zur Verfügung stehenden Fläche war der Bau in kurzer Zeit fertiggestellt worden. Der städtische Wasserversorger Chennai Metropolitan Water Supply and Sewerage Board (CMWSSB) betreibt nun die Anlage.

Halle mit Pumpen
In der Pumpenhalle wird das entsalzte Meerwasser in das Versorgungsnetz der Stadt Chennai eingespeist.

Die Ausweitung der Trinkwassergewinnung war nicht die einzige Maßnahme, um der Wasserkrise zu begegnen. Die Stadtverwaltung hat außerdem der Wasserverschwendung den Kampf angesagt und einen Management-Plan erstellt. Mit der Sanierung des Leitungsnetzes wurde bereits begonnen, um Verluste zu minimieren. Die Nachfrage soll bewusst gesteuert werden, auch mit der Installation von Wasserzählern.

Da Chennai direkt am Meer liegt, bot es sich an, hier auf die Technologie der Entsalzung zurückzugreifen. Gleichzeitig ist Raum in der Metropole knapp. Daher gab es keinen Platz, eine Photovoltaikanlage zur Energieversorgung zu installieren. Die Anlage wird mit einem herkömmlichen Energiemix betrieben, da derzeit keine Alternative zur Verfügung steht, um die Menschen der Millionenstadt mit dem lebenswichtigen Trinkwasser zu versorgen. Gleichzeitig arbeitet Indien – auch mit Unterstützung der KfW – engagiert daran, die Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien auszubauen. In Anbetracht dieser Sachzwänge und der besonders energiesparenden Technologie, kombiniert mit dem neuen Wassermanagement-Plan, handelt es sich um einen innovativen Ansatz der Stadt Chennai, dem Wassermangel zu begegnen und einen Beitrag zur Erreichung des UN-Entwicklungsziels 6 – sichere Trinkwasserversorgung – zu leisten.