Interview mit Dr. Christian Lütke Wöstmann
„Eine Krise in Zeitlupe“Dr. Christian Lütke Wöstmann, Leiter des Kompetenzcenter Infrastruktur, Wasser und Naturressourcen der KfW, im Interview mit Friederike Bauer über den weltweiten Wassermangel und warum seine Gefahren unterschätzt werden.
Veröffentlicht am 22. März 2021, aktualisiert am 22. März 2024.
Das ist ein wichtiger Tag in unserem Kalender, denn die Vereinten Nationen haben den Zugang zu sicherem und erschwinglichem Wasser zu einem Menschenrecht erklärt. Der Weltwassertag gibt uns die Gelegenheit, immer wieder an dieses Menschenrecht zu erinnern, das für viele leider noch nicht erfüllt ist.
Mehr als eine halbe Milliarde Menschen hat keinen Zugang zu ordentlichem Trinkwasser. Und über 400 Mio. Menschen müssen ihre Notdurft im Freien verrichten - mit allen Konsequenzen, die das sozial und gesundheitlich mit sich bringt. Obwohl sich hier in den vergangenen Jahren, nicht zuletzt durch die Millenniumsentwicklungsziele und später durch die Nachhaltigen Entwicklungsziele viel getan hat, betrifft das immer noch sehr viele Menschen.
Tatsächlich handelt es sich um eine Krise in Zeitlupe, allerdings mit sehr ernsten Konsequenzen. Dass sie nicht stärker wahrgenommen wird, ist erstaunlich, auch weil Wasser ein wesentlicher Teil des Klimawandels ist. Viele der negativen Wirkungen der Erderwärmung machen sich durch Wasserphänomene bemerkbar, durch Überschwemmungen und Starkregenfälle zum Beispiel, aber auch durch Wasserknappheit und Dürren. Im Wasser spiegeln sich die Gefahren des Klimawandels wider.
Das hat sicher auch damit zu tun, dass Wasser größtenteils kommunal organisiert ist; auf breiter Fläche gibt es dafür meist keine schlagkräftige Lobby oder engagierte Fürsprecher. Außerdem sind viele Länder sehr gut mit Wasser versorgt und daran gewöhnt, jederzeit den Hahn aufdrehen zu können. Das gilt für die meisten Industrieländer, obwohl selbst wir hier in den vergangenen Jahren gesehen haben, dass Wasser auch mal knapp werden kann. Aber die Tatsache, dass die reicheren Länder meist ausreichend mit Wasser versorgt sind, erklärt ein Stück weit, warum das Bewusstsein für dieses Problem nicht stärker ausgeprägt ist.
Über zwei Mrd. Menschen leben in Ländern mit zunehmend starkem Wasserstress. Das ist mehr als ein Viertel der Menschheit. Und der Klimawandel dürfte diese Zahl weiter erhöhen.
Die mangelnde Sanitärversorgung ist vor allem in Südasien und Subsahara-Afrika ein Problem. Unter Wasserstress leidet zum Beispiel der Nahe Osten stark. Ansonsten ist das breit über die Entwicklungs- und Schwellenländer verteilt.
Das muss man nicht, sondern man kann sehr viel tun. Einmal auf der Nachfrageseite, indem sparsamer mit Wasser umgegangen wird. Aber auch auf der Angebotsseite, bei den Unternehmen: Netze vernünftig managen, regelmäßig und gut warten. Da kann viel passieren. Es geht immer noch sehr viel Wasser durch schadhafte Leitungen verloren.
Es hat schon deutliche Fortschritte gegeben in den letzten zwanzig Jahren. In Ländern wie Peru oder Bolivien zum Beispiel ist durch Kampagnen wie „Agua para todos“ - Wasser für alle“ viel geschehen. Aber das alles reicht noch nicht, um das Menschenrecht einzulösen. Ein wichtiger Grund sind fehlende Investitionen. Wasseranschlüsse und Netze kosten Geld, das viele Länder schlicht nicht haben. Oder sie halten Wassertarife aus politischen Gründen auf viel zu niedrigem Niveau. Das führt dann meist dazu, dass der Wasserverbrauch höher ist, als er sein müsste. Und die Wasserunternehmen können nicht kostendeckend arbeiten. Sie können die Qualität nicht sichern, die Leitungen nicht in Schuss halten. Irgendwann wird dann auch die Versorgung schlechter.
Das geschieht auch in vielen Ländern, durch Direktinvestitionen oder Zuschüsse zum Budget der Wasserversorger. Aber das geht nur so lange gut, wie der Staat oder die Kommune, die dahintersteht, genügend Geld dafür hat. Außerdem ist das entwicklungspolitisch höchstens zum Teil sinnvoll, weil auch Angehörige der Mittelschicht in den Genuss dieses subventionierten Wassers kommen, obwohl sie den realen Preis dafür zahlen könnten. Man muss Leute nicht subventionieren, die mit dem Wasser im Zweifel ihren Rasen sprengen oder die Straße reinigen.
Nein. Wasser bereitzustellen, hat sehr viele Facetten, die alle berücksichtigt werden müssen. Und nur wenn die verschiedenen Faktoren wie Wassereinzugsgebiet, Leitungen, Anschlüsse, Versorger, Angebot und Nachfrage richtig zusammenspielen, schafft man es, unbedenkliches Wasser zu vernünftigen Preisen bereitzustellen.
Einen hohen: Im weltweiten Durchschnitt gehen 70 % des Wassers in die Landwirtschaft und nur 30 % in die Versorgung des Menschen und die Industrie. In der Landwirtschaft wird Wasser häufig nicht effizient verwendet. Das anzugehen, ist allerdings nicht ganz leicht, weil häufig große Interessengruppen dahinterstehen, die gut organisiert sind. Sie wollen viel und billiges Wasser für ihre Produktion zur Verfügung haben. Das Potenzial zum Wassersparen in der Landwirtschaft ist sehr groß und noch längst nicht ausgereizt.
Er ist seit vielen Jahren einer der größten Sektoren und macht ungefähr 10 % der Gesamtzusagen aus, also rund 1 Mrd. Euro im Jahr. Wasser hat hier traditionell einen hohen Stellenwert. So hoch, dass manche früher spaßeshalber sagten, das Kürzel KfW stehe für Kreditanstalt für Wasser. Das hat sich ein bisschen geändert, neue Themen sind dazugekommen, aber Wasser hat immer noch einen hohen Anteil an der Arbeit der KfW.
Wir kümmern uns vor allem um Wasser- und Abwasserprojekte in Städten; dort liegen ca. 80 % unserer Projekte. Das hat unter anderem damit zu tun, dass wir dort auf kleinem Raum viel erreichen können. Es liegt aber auch generell am Prozess der Verstädterung, der viele ärmere Länder vor große Herausforderungen stellt, auch bei der Wasserversorgung. Regional sind wir relativ gut über die Welt verteilt.
Der Anteil des Wassers, der ungeklärt abgeleitet wird, ist in der Tat sehr hoch. UN Water bspw. geht von 42 % ungeklärtem häuslichen Abwasser aus. Die Zahlen sind jedoch relativ wenig belastbar und schwanken stark von Region zu Region. Deshalb betrachten wir bei der KfW meist beides gleichzeitig, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Sonst löst man das Problem auf der einen Seite und schafft ein neues auf der anderen.
Die Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser zum Beispiel in der Landwirtschaft oder in Parks ist eine wichtige Technologie, die noch zu wenig zum Einsatz kommt. Häufig liegt es daran, dass die Rahmenbedingungen dafür nicht gegeben sind. In manchen Ländern gibt es viele Barrieren, die das unmöglich machen. Hier müssen erst noch die gesetzlichen und organisatorischen Voraussetzungen geschaffen werden. Ich denke aber, dass der Druck mit steigendem Wassermangel größer wird, auch stärker in Wiederverwendung zu investieren.
Das ist definitiv eine Option, auch für die KfW, aber erst, wenn nichts anderes mehr funktioniert. Erst einmal schauen wir, wo sich Wasser sparen lässt. Dann überlegen wir, wie sich ein System verbessern und ob Wasser wiederverwendet werden könnte. Wenn das alles nicht möglich ist, denken wir darüber nach, Meerwasser zu entsalzen. Die Technologie ist teuer, obwohl die Preise dafür zuletzt gesunken sind. Wir fördern das auch gelegentlich, zum Beispiel in Tunesien, Indien oder Jordanien, aber es bleibt für uns das letzte Mittel, im Moment jedenfalls noch.
Das wird meines Erachtens sehr herausfordernd und knapp. Zumal ein Wasserzugang noch nicht heißt, dass dann auch 24 Stunden am Tag Wasser zur Verfügung steht.
Kriege konnten bisher in der Tat weitgehend abgewendet werden, auch durch das Management von Wassereinzugsgebieten, manchmal über Landesgrenzen hinweg. Aber es wird auf jeden Fall Konkurrenz um das knappe Gut Wasser geben und dabei ist nicht auszuschließen, dass es auch zu gewalttätigen Verteilungskonflikten kommt.
Nach Schätzungen der UN droht 700 Mio. Menschen Vertreibung aus Wassergründen. Die werden erst einmal überwiegend in ihrer Weltgegend bleiben. Kurzfristig entsteht deshalb jetzt keine neue große Flüchtlingswelle. Aber da wir es mit einem langsamen Prozess zu tun haben, der sich über 20, 30, 50 Jahre hinzieht, kann sich das mittel- bis langfristig tatsächlich ändern. Deshalb ist es wichtig, den Wassersektor nicht aus den Augen zu verlieren und die Krise als solche wahrzunehmen.
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