INTERVIEW MIT MARKUS BECK

Kampf gegen Malaria – Game Changer Impfstoff?

Markus Beck, Senior Donor Manager und Market Shaping Experte bei der Globalen Impfallianz Gavi, spricht im Interview mit Tobias Luppe, KfW-Sektorökonom Gesundheit, über die bisherigen Fortschritte beim Kampf gegen Malaria und inwieweit die kürzlich entwickelten Impfstoffe zum Game Changer werden könnten.

Markus Beck während einer Paneldiskussion
Markus Beck (Mi.), seit 7 Jahren für Gavi tätig, ist Experte für Impfstoffmärkte und den Zusammenhang zwischen globaler Gesundheit und Klimawandel.

Herr Beck, am 25. April ist Weltmalariatag. Welche Bedeutung hat Malaria heute und warum bedarf es auch 2024 noch eines solchen Tages?

Trotz enormer Fortschritte in den vergangenen 20 Jahren ist Malaria noch immer eine der Haupttodesursachen für Kleinkinder in ärmeren Ländern. Allein in Afrika, dem am schlimmsten betroffenen Kontinent, sterben laut WHO jährlich etwa 500.000 Kleinkinder an Malaria, das sind mehr als 1.000 jeden Tag. Aber auch schwangere Frauen und Menschen mit schwachem Immunsystem sind besonders gefährdet.

Was bedeutet das für die Entwicklung in den am meisten betroffenen Ländern?

Malaria ist eine Entwicklungsbremse. Die Krankheit belastet die Gesundheitssysteme massiv, besonders in ressourcenarmen Ländern Afrikas. Hier sind in den Wochen nach starken Regenfällen die ohnehin schwach aufgestellten Gesundheitseinrichtungen oftmals durch die Anzahl der schwer an Malaria erkrankten Menschen überfordert. Sozioökonomisch führt Malaria zu Produktivitätsverlust, Beeinträchtigung der schulischen Leistung bei Kindern mit langfristigen kognitiven Einbußen und – natürlich – extrem hohen Ausgaben im Gesundheitsbereich.

Die Beziehung zwischen Infektionskrankheiten und Klimawandel ist komplex. Wie könnte sich die globale Erwärmung auf die Epidemiologie von Malaria auswirken?

Grundsätzlich wird erwartet, dass sich Malaria durch den Klimawandel nun auch in Gegenden ausbreitet, die vorher gar nicht oder nicht stark von Malaria betroffen waren, wie z. B. im äthiopischen Hochland. Auch Überschwemmungen und Extremregen könnten die Krankheitslast erhöhen, da es dann mehr Brutstätten für den Überträger, die Anophelesmücke, gäbe.

So geschehen im Jahr 2022 in Pakistan, wo sich die Zahl der Malariafälle nach untypisch schweren Monsunregenfällen verfünffachte. Werden wir mit zunehmender Erderwärmung auch überall mehr Malaria sehen?

Ja und nein: Denn in einigen Gegenden könnte es sogar zu warm werden für die Anophelesmücke. Dort könnte sich dann verstärkt das Dengue-Fieber durchsetzen – übertragen durch eine andere Mückenart. So oder so: Die Gesundheitslage wird sich verschärfen, auch hinsichtlich Malaria. Und dies vor allem in Ländern, die am wenigsten Ressourcen haben, dem zu begegnen. Sie sind auf internationale Unterstützung angewiesen. Generell machen wir uns aber Sorgen über weitere Ausbreitungen, z. B. im globalen Norden. In Deutschland hat sich schon die Tigermücke etabliert, und im letzten Lancet Countdown Bericht zu Globaler Gesundheit und Klimawandel gehen aktuelle Modellierungen von zusätzlichen 500 Mio. Menschen aus, die von Malaria und anderen vektorbasierten Krankheiten wie Dengue und Chikungunyafieber betroffen sein werden.

Frau bei einem Malaria Schnelltest
In einem Gesundheitszentrum in Malawi erhält eine Frau einen Malaria-Schnelltest und Medikamente.

Die Zukunft sieht also nicht gerade rosig aus. Schauen wir aber zunächst auf die Fortschritte bei der Bekämpfung der Malaria. Was wurde bisher erreicht, und mit welchen Instrumenten wird Malaria bekämpft?

Die durch Malaria verursachten Todesfälle bei Kleinkindern sind in den vergangen 20 Jahren massiv gesunken – in Afrika von über 1 Mio. pro Jahr auf heute etwa 500.000. Sehr wichtig waren dabei die Verbreitung von imprägnierten Moskitonetzen und Insektiziden zur Prävention, die Einführung von Schnelltests für eine Diagnose ohne Mikroskop und die Anwendung einer neuen Generation von Malariamedikamenten. Und natürlich großangelegte Aufklärungskampagnen für die am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen.

Das erfordert alles viel Geld und technische Expertise. Welche Rolle kommt hier der Entwicklungszusammenarbeit zu?

Neben der langfristigen bilateralen Zusammenarbeit zur Stärkung von Gesundheitssystemen spielt der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria eine herausragende Rolle. Seit mehr als 20 Jahren finanziert er Prävention, Diagnose und Behandlung der Malaria. Deutschland ist einer der wichtigsten Geber.

Und Ihr eigener Arbeitgeber, die Globale Impfallianz Gavi?

Der Name ist Programm: Unser Job ist die Finanzierung von Impfprogrammen und Gesundheitssystemstärkung. Allerdings gab es – obwohl seit über 100 Jahren daran geforscht wurde – bis vor kurzem keinen Impfstoff gegen Malaria. In der Tat ist Malaria die Krankheit, bei der es leider die meisten Misserfolge und Abbrüche von Impfstoff-Forschungsprogrammen gab.

Das hat sich nun geändert. Gavi wird dieses Jahr den Roll-Out der ersten großangelegten Impfprogramme gegen Malaria finanzieren. Wie kam es dazu?

Die beiden nun erhältlichen Impfstoffe, bekannt als RTS,S/ AS01 und R21/Matrix-M, sind das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung und Entwicklung, die unter enger internationaler Zusammenarbeit stattfand, bspw. zwischen der PATH Malaria Vaccine Initiative, dem Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline, der Universität Oxford sowie der Bill & Melinda Gates Stiftung. Gavi hat die Studien und Pilotierungen in einigen Ländern unterstützt, sobald es aussichtsreiche Impfstoffkandidaten gab. Der Malaria-Impfstoff ist nun auch der weltweit erste Impfstoff überhaupt gegen eine parasitäre Erkrankung beim Menschen.

Nahaufnahme eines Mikroskops
Trotz jahrzehntelanger Forschung wurden erst vor kurzem zwei Impfstoffe gegen Malaria entwickelt und zugelassen.

Was wissen wir über die Effektivität der neuen Impfstoffe? Einmal geimpft – immer sicher?

Nein, dazu ist der Parasit leider zu widerstandsfähig, ja fast schon hinterlistig, wenn man das so sagen kann. Aber auch wenn die Impfung nicht immer eine Ansteckung verhindern kann, wird die Verbreitung massiv reduziert. Und vor allem nehmen die schweren und tödlichen Verläufe der Malaria ab: Studien zu R21/Matrix-M zum Beispiel zeigen, dass symptomatische Fälle von Malaria um 75 % reduzieren wurden.

Allerdings erst nach drei Impfdosen und wohl nur für eine begrenzte Zeit.

Das stimmt. Aber bei Kleinkindern sind es gerade die Erstinfektionen, die schwer und leider oft tödlich verlaufen. Insofern haben die Impfstoffe durchaus das Potenzial, echte Game Changer im Kampf gegen Malaria zu werden.

Welche Rolle wird Gavi bei der Verbreitung der Impfstoffe spielen?

Mindestens 28 Länder in Afrika planen, einen der beiden von der WHO empfohlenen Malaria-Impfstoffe als Teil ihrer nationalen Impfprogramme einzuführen. Allein 2024 wird Gavi 18 Länder nicht nur bei der Finanzierung des Impfstoffs unterstützen, sondern auch beim Roll-Out, d. h: Lagerung, Versorgungsketten, Sensibilisierungskampagnen, Training von Gesundheitspersonal, etc. Gerade dabei ist eine enge Abstimmung mit anderen Entwicklungspartnern zentral, und wir sind dankbar, dass Länder wie Deutschland seit langer Zeit erfolgreich die Stärkung von Gesundheitssystemen in vielen bilateralen Partnerländern fördern. Sowohl mit der KfW als auch der GIZ blicken wir auf gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit zurück.

Eine Lehre aus der Covid-19 Pandemie war, die lokale Produktion von Impfstoffen in Afrika zu stärken. Allein Deutschland investiert hier über KfW und GIZ über 500 Mio. Euro. Die beiden neuen Impfstoffe werden in England bzw. Indien produziert. Warum nicht in Afrika, wo der Bedarf am höchsten ist?

Gavi hat in den vergangenen Jahren viel dazu beigetragen, die Anzahl und regionale Verteilung der Impfstoffproduzenten zu erweitern. Um die Jahrtausendwende bezogen wir sechs Impfstoffe von vier Produzenten in Industrienationen. Dieses Lieferantenportfolio ist seitdem auf über 20 Zulieferer angewachsen, die uns mit über 100 verschiedenen Formulierungen für 19 Antigene versorgen. Die meisten dieser Produzenten sind in Schwellenländern angesiedelt. Für Gavi bedeutet diese breitere Basis von Herstellern mehr Wettbewerb, niedrigere Preise und eine verbesserte Versorgungssicherheit.

Afrika ist auf einem guten Weg, regionale Produktionsstätten aufzubauen, und für die Zukunft ist es durchaus denkbar, dass der Malariaimpfstoff auf dem afrikanischen Kontinent produziert werden kann. Impfstoffproduktion ist jedoch sehr komplex, und viele afrikanische Länder haben derzeit nicht die nötige Infrastruktur oder die technologischen Ressourcen, um solche Impfstoffe in großem Maßstab zu produzieren.

Eine Laborantin bei der Arbeit
Ein Großteil der verfügbaren Impfstoffe wird aktuell in Schwellenländern hergestellt.

Die Afrikanische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2040 60 % der in Afrika verwendeten Impfstoffe lokal zu produzieren. Das wäre auch im Sinne der Pandemieprävention und -bekämpfung sehr hilfreich. Was muss dafür passieren?

Die in Frage kommenden Länder müssen in Forschung und Entwicklung investieren und ihre regulatorischen Rahmenbedingungen stärken. Zudem ist es wichtig, Partnerschaften zwischen Regierungen, privatem Sektor und akademischen Institutionen zu fördern, um Know-how und Technologie aufzubauen. Solches Know-how kann nicht nur akademisch angelernt werden, sondern muss durch Technologietransfers vermittelt werden. Hierzu erhoffen wir uns, dass internationale Impfstoffproduzenten wir bspw. der deutsche BioNTech Konzern oder das indische Serum Institut Partnerschaften eingehen, um solche Expertise zu vermitteln und Kapazitäten lokal aufzubauen.

Wären in Afrika produzierte Impfstoffe auf Dauer teurer?

Impfstoffproduktion ist am Anfang immer teuer, weil die Investitionskosten sehr hoch sind und Skaleneffekte erst mit wachsendem Produktionsvolumen die Kosten senken. Jedoch ist die Investition in lokale Produktion eine Investition in die Unabhängigkeit und Sicherheit. Langfristig könnte dies zu niedrigeren Kosten und einer schnelleren Verfügbarkeit in Krisenzeiten führen. Zudem fördert es die gesamtwirtschaftliche Entwicklung auf dem Kontinent.

Gavis Mandat beinhaltet auch die Entwicklung gesunder und nachhaltiger Märkte für Impfstoffe…

…und genau deshalb haben wir den African Vaccine Market Accelerator (AVMA) entwickelt. Er zielt darauf ab, den Markt für lokal produzierte Impfstoffe in Afrika zu fördern und zu beschleunigen. Subventionen von bis zu einer 1 Mrd. US-Dollar innerhalb den nächsten 10 Jahre stehen für eine zukünftige Impfstoffproduktion auf dem afrikanischen Kontinent zur Verfügung. Deutschland war übrigens einer der ersten Unterstützer des AVMA innerhalb der letzten G7-Präsidentschaft 2022.

Wie funktioniert er genau?

Der AVMA kann Hersteller in Afrika auf zwei verschieden Wegen unterstützen: Zum einen durch Zuschüsse, um Produzenten zu helfen, eine sog. Präqualifizierung – also ein Qualitätssiegel – durch die WHO zu erlangen und ihren Impfstoff in die Massenproduktion zu bringen. Der zweite Ansatz greift, wenn ein Hersteller den Zuschlag bei einer Beschaffung über unseren Haupteinkäufer UNICEF gewinnt. Dann erhält er eine Förderung von bis zu 0,5 US-Dollar pro Impfdosis, um sein Produkt konkurrenzfähig anbieten zu können. Die Auswahl der geförderten Impfstoffe basiert auf solchen, die vor allem in Afrika benötigt werden und bei denen der Markt von zusätzlichen Herstellern profitieren würde. Vor diesem Hintergrund wäre ein Malariaimpfstoff perspektivisch sicherlich ein interessanter Kandidat, aber auch andere Impfstoffkandidaten gegen Krankheiten wie Cholera, Ebola, Masern und Gelbfieber. Der AVMA wird am 20. Juni 2024 offiziell gelauncht und hat eine Laufzeit von 10 Jahren, sodass wir es schaffen, innerhalb der Periode eine gewisse Anzahl afrikanischer Produzenten zu haben, die international konkurrenzfähig produzieren können.

War der Impfstoff der fehlende Pfeil im Köcher? Kann die Malaria nun besiegt und als öffentliche Gesundheitsbedrohung eliminiert werden?

Die Ausrottung von Malaria ist ein komplexes Unterfangen, das über die Bereitstellung eines Impfstoffs hinausgeht. Hierzu arbeitet Gavi auch eng mit dem Globalen Fonds zusammen. Zentral ist die Stärkung der Gesundheitssysteme. Dies beinhaltet die Fähigkeit zur Anwendung des Impfstoffs, zu korrekter Diagnose und Behandlung von Malaria – auch in Krisenzeiten. Die Verbesserung der Lebensbedingungen ist ein weiterer Faktor: die Prävention durch den Einsatz von Moskitonetzen und die Kontrolle von stehendem Wasser, um die Brutstätten der Moskitos zu reduzieren; aber auch das Management von Migration und Konflikten sowie unser Umgang mit dem Klimawandel. All diese Faktoren tragen dazu bei, die Exposition gegenüber Malaria zu reduzieren und die Krankheitslast zu verringern.

Dennoch: Die beiden Impfstoffe werden einen großen Teil dazu beitragen, Malaria nachhaltig zu bekämpfen. Und mit Blick auf die Effektivität von Impfungen, die im Vergleich zu Moskitonetzen und Insektiziden mehr als doppelt so hoch ist, sind wir guter Dinge. Aufgrund der momentanen Lage und der bereits angesprochenen Auswirkungen des Klimawandels wird es aber noch eine Weile dauern. Sicher ist, dass wir eine langfristige Finanzierung sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene brauchen. Deswegen freuen wir uns, Deutschland als starken Partner an unserer Seite zu haben – bei Gavi und auch im bilateralen Portfolio über KfW und GIZ.