Interview mit Stefanie Lang

„Vom Reden zum Handeln“

Ein Gespräch mit Stefanie Lang, Direktorin des Legacy Landscapes Fund, über fünf Jahre LLF, internationalen Biodiversitätsschutz und warum die Anstrengungen jetzt nicht nachlassen dürfen.

Porträt von Stefanie Lang
Stefanie Lang ist seit mehr als 25 Jahren in der internationalen Zusammenarbeit und im Naturschutz tätig und seit April 2021 Direktorin des LLF. Die studierte Anthropologin arbeitete in über 20 Ländern im öffentlichen, privaten und NGO-Sektor.

Die internationale Biodiversitätspolitik hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Was haben die Vereinbarungen aus Ihrer Sicht bewirkt?

Das sind großartige Vereinbarungen, die 2022 in Montreal und bei der letzten Vertragsstaatenkonferenz in Cali und Rom getroffen worden sind. Mit dem „Global Biodiversity Framework“ haben wir konkrete globale Ziele zum Schutz der Biodiversität und mittlerweile auch passende finanzielle Instrumente. Das sind enorme politische Fortschritte, aber sie müssen jetzt dringend umgesetzt werden.

Ziele hatten wir schon viele. Sehen Sie den Willen zur Umsetzung?

Meiner Beobachtung nach läuft die Umsetzung sehr unterschiedlich. Manche Länder nehmen das Ausweisen von Schutzgebieten sehr ernst, wie zum Beispiel Kolumbien, Costa Rica oder Namibia. Aber diese Schutzgebiete gilt es mit gutem Management abzusichern und das braucht Geld. Geld, das momentan noch nicht ausreichend zur Verfügung steht. Deshalb habe ich Zweifel, ob es schon eine große Trendwende gibt.

Nimmt die Aufmerksamkeit für das Thema angesichts kriegerischer Konflikte und wirtschaftlicher Probleme nicht gerade wieder ab?

Tatsächlich ziehen sich verschiedene bilateralen Geber aus dem internationalen Biodiversitätsschutz zurück. Viele blicken mittlerweile generell skeptischer auf die internationale Zusammenarbeit und das hat leider auch Auswirkungen auf die Biodiversitätsfinanzierung. Das ist ein sehr beunruhigender Trend, denn der globale Süden hat zwar reiche Biodiversität, aber nicht das Geld für den entsprechenden Schutz. Falls es nicht gelingt, dieses globale Gut gemeinsam zu schützen, wird das enorme Konsequenzen für uns alle haben.

Welche Konsequenzen sind das?

Biodiversität sichert unser Überleben. Fast alles, was wir Menschen zum Leben und zum Wirtschaften brauchen, kommt aus der Natur: Luft, Wasser, Lebensmittel, aber auch Medikamente und Rohstoffe wie Gips oder Holz. Berechnungen des Weltwirtschaftsforums zufolge hängt mehr als die Hälfte des globalen Bruttosozialprodukts in irgendeiner Form von der Natur ab. Das gilt auch für deutsche und europäische Firmen. Nach Angaben der Europäischen Zentralbank sind gut zwei Drittel aller europäischen Unternehmen jenseits des Finanzsektors in hohem Maß auf funktionierende Ökosysteme angewiesen. Das bedeutet, der Niedergang der Natur wird irgendwann massive Folgen für uns alle haben; wenn zum Beispiel Trinkwasser knapp oder Lebensmittel extrem teuer werden. Diese Tatsachen lassen sich leider leicht verdrängen, denn die Natur stirbt leise.

Und stetig…

Exakt, die Biodiversität stirbt leise und stetig. Ein Insekt hier, eine Pflanze da. Das fällt nicht immer gleich auf, aber da alles mit allem verbunden und voneinander abhängig ist, kann dieses natürliche Sicherheitsnetz irgendwann nicht mehr halten. Dann kann die Natur bestimmte Leistungen nicht mehr erbringen. Wir merken das häufig erst, wenn es zu spät ist – wenn plötzlich Bestäuberinsekten auf den Feldern fehlen. Deshalb war es schon immer schwer, die Aufmerksamkeit der Menschen hierauf zu lenken. Und heute, in Zeiten so vieler verschiedener Krisen, ist das noch komplizierter geworden. Dabei sind die Zahlen alarmierend. Wir befinden uns mitten im sechsten Massenaussterben; da lässt sich überhaupt nichts beschönigen.

Lemur läuft auf einem Ast entlang
Viele der weltweiten Biodiversitäts-Hotspots befinden sich in wirtschaftlich benachteiligten Ländern.

Gibt es, abgesehen von internationalen Zielen, auch gute Nachrichten?

Gibt es. Dies ist zwar eine globale Krise, die aber eine erprobte Lösung hat: Wir müssen die Natur machen lassen. Und anders als beim Klimawandel sind die positiven Auswirkungen relativ schnell spürbar. Schutzgebiete oder Renaturierung hilft sofort. Wenn ein Ökosystem noch nicht völlig zerstört ist, kann sich die Natur in der Regel gut erholen. Das haben wir zum Beispiel nach dem internationalen Walfangabkommen beobachtet – die Population der Wale hat sich stabilisiert. Das sehen wir auch bei Wäldern, die sich regenerieren und vergrößern, wenn wir die Fragmentierung oder Abholzung stoppen. Das heißt, wir wissen, dass Naturschutz hilft – aber wir müssen dieses Wissen umsetzen.

Allerdings existieren viele Schutzgebiete nur auf dem Papier. Was braucht es für wirksamen Schutz?

Damit ein Schutzgebiet seine Funktion tatsächlich erfüllt, braucht es einen guten Managementplan, der am besten auf wissenschaftlichen Daten beruht. Welche Tiere und Pflanzen gibt es? Welche Risiken bestehen? Was muss getan werden? Was kostet das? Welche Nutzungsformen sind sinnvoll? Diese und andere Fragen muss ein solcher Managementplan berücksichtigen, und er muss mit allen Beteiligten abgestimmt sein. Dazu muss man Behörden, Wissenschaftler und Menschen vor Ort einbeziehen. Auch lokales Wissen ist wichtig. Wir wissen heute, dass „Festungs-Naturschutz“ hinter einem hohen Zaun nicht funktioniert. Am Ende muss das Management eines Schutzgebiets solide finanziert und stetig überwacht werden. Daran hapert es häufig.

Stichwort Menschen vor Ort. Die internationalen Übereinkünfte betonten zuletzt sehr stark die Bedeutung von indigenen Völkern. Warum?

Weil sie sehr wichtig für den Naturerhalt sind. Viele indigene Völker gehen seit Generationen pfleglich mit ihrer natürlichen Umgebung um; zudem verfügen sie über großes so genanntes traditionelles Wissen. Beides macht sie zu wichtigen Akteuren im Naturschutz. Allerdings sind die Bedingungen für die Beteiligung von indigenen Völkern sehr unterschiedlich. Manche sind politisch gut organisiert, andere nicht; manche haben verbriefte Landrechte, andere nicht. In bestimmten Ländern genießen sie große Rechte, in anderen haben sie einen schweren Stand. Man muss die jeweilige Lage genau betrachten und immer ihre Beteiligung und die Stärkung ihrer Rechte anstreben.

Ein junger laotischer Ranger zeigt eine Fotofalle.
Wirksames Schutzgebietsmanagement erfordert finanzielle Mittel, etwa für Ranger oder Ausrüstung.

Der LLF hat in diesem Jahr zum ersten Mal eine Ausschreibung ausschließlich für Indigene Völker und lokale Gemeinschaften veröffentlicht. Wie kam es dazu?

Wir sind diesen Schritt ganz bewusst gegangen und reagieren damit auf die Bedeutung von Indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften. Sie sind essenziell für den Schutz und Erhalt von Natur und haben bisher wenig direkte Finanzierung erhalten. Entsprechende Organisationen können von 2027 an über 15 Jahre lang eine Million US-Dollar pro Jahr vom LLF erhalten. Mit direkter Finanzierung in dieser Größenordnung betreten wir Neuland, auch im internationalen Vergleich.

Im Frühjahr 2026 feiert der LLF offiziell seinen 5. Geburtstag. Was wurde bisher erreicht?

Wir sind mit dem Ziel angetreten, bis 2030 mindestens 30 große Landschaften mit einer Million US-Dollar pro Jahr zu fördern. Inzwischen finanzieren wir 15 Landscapes, demnächst wird der Vertrag für ein weiteres Gebiet, Nyika-Vwaza in Malawi, unterschrieben. Die laufenden Kosten dieser 16 Schutzgebiete sind dadurch substanziell abgesichert, sechs davon erhalten eine Ewigkeitsfinanzierung, zehn eine Nachhaltigkeitsfinanzierung über 15 Jahre. Zudem sind andere Geber hinzugekommen: Frankreich, Norwegen und das Vereinigte Königreich. Das ist sehr wichtig, denn es schafft eine breite und internationale Unterstützerbasis. Der LLF wird bekannter und es gibt mehr und mehr Anfragen nach Finanzierung. Das zeigt: Dieses Modell für Naturschutz ist attraktiv. Unser Stiftungsvermögen liegt mittlerweile bei knapp 400 Millionen Euro. Ursprünglich wollten wir eine Milliarde Euro bis 2030 erreichen. Wir haben also noch ein Stück Weg vor uns.

Sie brauchen also noch mehr Geldgeber?

Wir hatten eine schwungvolle Anfangsphase, dann hat sich das Tempo der Beteiligung etwas verlangsamt. Wir hoffen, dass wir zum Schwung vom Anfang zurückkehren können. Nachfrage gibt es genug.

Was ist das Besondere am LLF? Warum sollten sich Geber gerade für diesen Fonds entscheiden?

Weil wir eine kleine, schlagkräftige und sehr effektiv arbeitende Organisationen mit einem besonderen Mandat sind. Unsere administrativen Kosten sind gering; das haben verschiedene Audits bestätigt. Wir fördern riesige Gebiete, manche davon sind so groß wie die Schweiz. Diese bestehen nicht nur aus Schutzgebieten, sondern auch aus den Landschaften drumherum. Es geht immer um ein kluges Zusammenspiel von Schutz und Nutzung. Außerdem schütten wir eine Million US-Dollar pro Jahr mit langfristiger Planbarkeit aus. Das ist wichtig, weil Stop-and-Go-Förderung, wie man sie sonst oft findet, kein gutes Konzept für dauerhaften Naturschutz ist. Unsere Beträge decken nicht alle Kosten, aber die regelmäßigen Grundlasten, etwa für Personal, Infrastruktur, Energie oder Ausrüstung – essenziell für das gute Management eines Schutzgebiets. Zudem kombinieren wir öffentliche Gelder mit privaten Mitteln.

Halten Sie den LLF-Ansatz für innovativ?

Auf jeden Fall – das wird uns auch von außen so zurückgespielt. Und wir entwickeln uns stetig weiter. So kooperieren wir zum Beispiel mit Universitäten wie Yale oder der ETH Zürich, um satellitengestütztes Monitoring zu verbessern. Auch entwickeln wir Formate für Austausch und Lernen innerhalb aller Programme unseres Portfolios. Wir bleiben nicht stehen, sondern befinden uns in einem permanenten Lernprozess. Auch das ist eine Besonderheit des LLF.

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