Energiewende Indien

Grüne Energiekorridore: Wie Indien Wachstum und Klimaschutz vereinen will

Indiens dynamische Wirtschaft braucht mehr grüne Energie. Um diese von den neuen Kraftwerken zu den Verbrauchern zu bringen, finanziert die KfW seit über zehn Jahren „Green Energy Corridors“.

Berge, Fluss und Strommaste in Indien
Übertragungsleitungen und Umspannstationen speisen nachhaltig erzeugten Strom ins indische Stromnetz ein, um ihn dorthin zu transportieren, wo er am dringendsten gebraucht wird.

Indiens Wirtschaft ist seit Jahren auf einem dynamischen Wachstumskurs. Allein 2023 hat das Bruttoinlandsprodukt um 7,6 % zugelegt, 2024 um rund 6,5 % – mit ähnlichen Wachstumsraten rechnet der Internationale Währungsfonds auch in den kommenden Jahren. Diese Entwicklung hat viele Menschen aus der Armut geholt, belastet aber auch das Klima. Denn mit dem Wirtschaftswachstum wächst die Nachfrage nach Strom. Experten prognostizieren hier eine Verdreifachung bis 2047. Das Problem: Indien gewinnt noch immer einen erheblichen Teil seiner elektrischen Energie durch die Verbrennung von Kohle.

Wie Indien Klimaschäden reduzieren kann

Soll Indiens Wachstum nicht mit einem höheren Ausstoß an klima­schädlichen Treibhaus­gasen einhergehen, muss das Land seine Kohleverstromung reduzieren und den Anteil der erneuerbaren Energien am Energiemix weiter ausbauen. Dementsprechend hat sich die indische Regierung zum Ziel gesetzt, das Land bis 2070 klimaneutral zu machen und bis 2030 die Hälfte seiner installierten Stromerzeugungs­kapazität aus nicht-fossilen Energie­trägern zu stellen – letzteres konnte bereits 2025 erreicht werden. Gleichzeitig ist der Anteil der Kohle an der tatsächlichen Stromerzeugung im ersten Halbjahr 2025 auf 68 % gesunken, nachdem er im Vorjahr noch bei 72 % lag. Das ist ein ermutigendes Zeichen, zumal die gesamte Stromerzeugung in diesem Zeitraum um 1 % gestiegen ist. Inzwischen werden immer mehr Solar- und Wind­projekte in Kombination mit großen Batterie­speichern ausgeschrieben, von denen einige bereits realisiert sind. Die Stromerzeugungs­kosten solcher kombinierten Kraftwerke sind zuletzt auf Werte gesunken, die unter denen neuer Kohlekraftwerke liegen. Dies könnte die Energie­wende in Indien erheblich vorantreiben – ein Fortschritt, der vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbar war.

Eine mit dem Ausbau der Erneuerbaren direkt in Verbindung stehende große Herausforderung ist der Ausbau der indischen Stromnetze im gesamten Land. So sind die Regionen, die sich in Indien zur Gewinnung von Solar- und Windenergie eignen, oftmals weit von den wirtschaftlichen Zentren entfernt. Um den sauberen Strom aus oftmals entlegenen Landesteilen zu seinen Abnehmern in den städtischen Verbrauchszentren zu transportieren, müssen Übertragungs­leitungen mit hoher Kapazität gebaut und das Verteilungs­netz gestärkt werden. Nur wenn beides gelingt – mehr grüne Energie und mehr dafür notwendige Netz­infrastruktur – kann Indiens Transformation dauerhaft erfolgreich sein.

Großkredite für Indiens grüne Netze

Für diesen Erfolg setzt sich die KfW im Auftrag des Bundes­ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ein. Mit zins­günstigen Darlehen von über 1,4 Mrd. Euro trägt die KfW rund 50 % der Gesamtkosten eines ambitionierten Infrastruktur­projekts der indischen Regierung mit dem Titel „Green Energy Corridors (GEC)“.

Im Rahmen des Projekts werden viele Kilometer neuer Strom­leitungen und zahlreiche Umspann­werke errichtet. Letztere schaffen nicht nur die Verbindung der dezentralen Energie­anlagen ans allgemeine Stromnetz, sondern verbessern darüber hinaus die Netz­stabilität.

Strommast in Indien
Stromleitung im Sonnenaufgang

Als Kofinanziererin hat die KfW Kredit­verträge mit dem nationalen Netzbetreiber „Power Grid Corporation of India“ sowie mit regionalen Netz­betreibern aus insgesamt neun indischen Bundesstaaten abgeschlossen. Das Engagement hat sich gelohnt: Gemeinsam mit ihren Projekt­partnern hat die KfW bisher den Bau von 7.800 Kilometern Strom­leitungen und 97 Umspann­werken ermöglicht, weitere Anlagen befinden sich in Vorbereitung oder im Bau.

Auf diese Weise haben die KfW und ihre Partner dafür gesorgt, dass bis zu 40 Gigawatt an nachhaltig erzeugtem Strom in das indische Netz fließen. Der über die GEC-Netze transportierte Strom deckt den Bedarf von rund 60 Millionen Menschen und führt zu Einsparungen von fast 900.000 Tonnen CO2 pro Jahr. Der Betrieb der Umspann­werke schafft zudem rund 1.500 neue Arbeits­plätze.

Schutz von Mensch und Natur beim Trassenbau

Auch die Errichtung grüner Strom­trassen bringt Heraus­forderungen mit sich. So ist die kürzeste Strecke zwar in der Regel die wirtschaftlichste für den Bau der Anlagen. Doch die KfW und ihre Partner wollen die Beeinträchtigung für Mensch und Natur so gering wie möglich halten. Deshalb hat die KfW Umwelt- und Sozialstudien erstellen lassen, um den für Mensch und Natur schonendsten Trassen­verlauf bestimmen zu können.

Gleichzeitig zeigten die Analysen, wo Ausgleichs­maßnahmen erforderlich wurden, um den nie ganz zu vermeidenden Umwelt­risiken begegnen zu können. Ein Beispiel dafür ist der Vogel­schutz. So waren in einigen Fällen Vögel und deren Brut­gebiete durch die Trassenführungen betroffen. Zum Schutz der Tiere haben die GEC-Partner 17.000 „Vogelschutzmarker“ an den Strom­leitungen installiert. Sie erhöhen die Sichtbarkeit der Strom­leitungen für Vögel, sodass diese rechtzeitig ausweichen können.

Die von der KfW seit 2014 mitfinanzierten GEC-Projekte vereinen so eine Vielzahl an Zielen: Sie ermöglichen und beschleunigen Indiens Energie­wende, tragen damit in hohem Maße zum Klimaschutz bei und verbessern die Versorgung vieler Menschen und Unternehmen mit sauberem Strom. Darüber hinaus schaffen sie dringend benötigte Arbeitsplätze und gewähr­leisten hohe soziale und ökologische Standards. Mit diesen Schwerpunkten startete das Projekt Ende 2022 seine zweite Phase: Bis 2026 sollen weitere 2.800 Kilometer grüner Korridore und 35 Umspann­werke in Indien entstehen – auch diese mitfinanziert von der KfW.

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