Mossul – Wiederaufbau einer Stadt mit einer Jahrtausende alten Geschichte

Ein Mann steht in einem Gebäude der Altstadt von Mosul
In der Altstadt von Mossul.

Im antiken Mesopotamien – gelegen zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris – beginnt vor mehr als 5000 Jahren eine einzigartige Blüte der Kultur. Beamte in Uruk – der ersten Großstadt der Geschichte, etwa 250 km südlich vom heutigen Bagdad – entwickelten die Keilschrift. In Mesopotamien wurde auch die Zeiteinteilung in Stunden und Minuten erfunden, einfallsreiche Geister entwickelten die künstliche Bewässerung und den Pflug, im ganzen Gebiet finden sich Spuren grandioser Prachtbauten und Kunstschätze. Über die Jahrtausende wechselten die Herrschenden: Sumerer, Babylonier, Assyrer, Perser, Osmanen, Briten. Nach wechselvoller Geschichte entstand 1921 ein eigenständiger Staat, der Irak.

Mossul, die Hauptstadt der Provinz Ninewa, liegt etwa 350 km nördlich von Bagdad am Ufer des Tigris. 2014 wurde sie durch den IS eingenommen, während der Besatzung und der Schlacht um Mossul wurden Gebäude und Infrastruktur zerstört, Jahrhunderte alte Moscheen und Kirchen niedergebrannt oder schwer beschädigt. Viele Einwohner flohen – innerhalb des Landes oder ins Ausland. Seit der Niederschlagung des IS im September 2017 sind laut IOM bereits rund 5 Mio. Menschen in ihre Heimatorte zurückgekehrt. Im März 2022 gelten rund 1,18 Mio. Irakerinnen und Iraker weiterhin als binnenflüchtig, rund 15 % der Binnenflüchtlinge leben in Flüchtlingscamps, 75 % in sonstigen Unterkünften, davon ca. 9 % in Notunterkünften (informelle Siedlungen, verlassene Gebäude etc.). Für sie ist der Wiederaufbau von Wohnhäusern, Straßen, Schulen, Krankenhäusern, von Strom- und Wasserversorgung ein entscheidender Beweggrund, in ihre Heimat zurückzukehren. Aber viele fürchten nach wie vor gewalttätige Auseinandersetzungen – die Sicherheitslage ist volatil.

Nach der Rückeroberung im Sommer 2017 begannen die Wiederaufbauarbeiten. In Zusammenarbeit mit dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und irakischen Trägern fördert die KfW den Wiederaufbau von Mossul und weiteren Städten in der Umgebung. UNDP – über die Funding Facility for Stabilization, FFS - setzt Maßnahmen um, die die Lebensbedingungen für Binnenflüchtlinge und die einheimische Bevölkerung verbessern. Die Fazilität erhielt bislang Mittel in Höhe von 1,45 Mrd. USD, etwa ein Viertel kommt von der Bundesregierung. Für die geschichts- und traditionsbewussten Einwohner geht es beim Wiederaufbau nicht nur um sicheren Wohnraum, funktionierende Krankenhäuser und Jobs – alles, was „Alltag“ ermöglicht – ihnen wird mit dem Wiederaufbau von Universität, Plätzen zur Begegnung und der Altstadt ein Stück ihrer Identität zurückgegeben.

Universität Mossul

Auch Gebäude der traditionsreichen Mossuler Universität wurden während der Kampfhandlungen mit dem IS stark zerstört. Insgesamt 25 Teilprojekte zur Renovierung des Universitätscampus wurden und werden umgesetzt, das reicht von der Zentralbibliothek über diverse Fachbereiche hinzu Sportstätten, dem Theater und der Renovierung des Universitätskindergartens. Aktuell ist die Universität Mossul die zweitgrößte des Landes, laut Verwaltung waren im Februar 2022 rund 70.000 Studierende eingeschrieben, was eine Steigerung von 120 % gegenüber den Studierendenzahlen (31.500) vor der Invasion durch den IS ausmacht.

Auch die Zentralbibliothek der Universität ist mittlerweile vollständig rehabilitiert: eines der namhaftesten Projekte unter dem FFS in Mossul. Die rehabilitierte Bibliothek bietet den Studierenden neue Lesesäle, Gruppenbesprechungs-, IT- und Ausstellungsräume. Sie bietet bis zu 1.070 Nutzern gleichzeitig Platz und wird über eine Regalkapazität für mehr als 100.000 Büchern verfügen. Hier brachten sich auch weitere Geber ein: die Niederländer finanzierten die Möblierung mit Bücherregalen, andere die Rehabilitierung des Magazins sowie die Pflasterung der Wege.

Der neu gebaute Universitätskindergarten ermöglicht eine Tagesbetreuung für 450 bis 550 Kinder, schon lange vor Eröffnung gab es eine Warteliste. Die Einrichtung soll vor allem weiblichen Studierenden und Angestellten zugutekommen, die durch die Betreuung der Kinder weiter studieren und/ oder arbeiten können.

Wohn- und Lebensraum

Alltag bedeutet auch: sicherer Wohnraum, nicht mehr in Camps oder Ruinen leben. UNDP rehabilitiert Wohnhäuser und soziale Infrastruktur. Hier finden viele Einwohner der Stadt auch einen Job beim Bau und der Renovierung von Häusern, bei der Beseitigung von Schutt und Trümmern oder der Rehabilitierung öffentlicher Plätze. Mehr als 65.000 Bewohner können in nun renovierten Häusern leben oder in ihre Heimat zurückkehren. Wände wurden neu verputzt, Fenster und Türen eingebaut und Wasser und Strom gelegt. Damit wurden zugleich auch Jobs für knapp 14.000 Menschen geschaffen, die damit Geld für Lebensmittel, medizinische Versorgung oder auch Bildung ausgeben können. Nicht nur in Mossul, sondern auch in Nachbarorten.

Sichere medizinische Versorgung

Während der Kampfhandlungen mit dem IS wurde die Gesundheitsinfrastruktur Mossul stark zerstört. Mit der Instandsetzung des Ibn Al-Atheer-Kinderkrankenhaus erhalten können bis zu 1.250 Patienten pro Tag mit deutlich verbesserten medizinischen Leistungen nach internationalen Standards versorgt werden. Das Kinderkrankenhaus war trotz massiver Beschädigungen und Zerstörungen teilweise in Betrieb und ist derzeit das einzige Kinderkrankenhaus Mossuls. Von seiner Rehabilitierung werden deshalb nicht nur die rund 600.000 Menschen in Ost-Mossul profitieren, sondern weitere Bevölkerungsteile, nach UNDP Schätzungen mittelfristig mindestens 1,2 Mio. Menschen im Großraum Mossul. Zudem wird auf dem stark zerstörten Al Shifa Medical Complex die Onkologische Klinik der Stadt neu errichtet. Nach Abschluss der Bauarbeiten wird die Klinik durch zwei zusätzliche Etagen und einer Gesamtgröße von 17.000m² mehr Kapazitäten für medizinisches Personal und Ausstattungen sowie eine Verdopplung der Bettenanzahl aufweisen. Es wird erwartet, dass nach den Rehabilitierungsmaßnahmen die Klinik mindestens 135.000 Patienten jährlich mit deutlich verbesserten medizinischen Leistungen nach internationalen Standards versorgen kann.

Beschäftigung bei Wiederbelebung der Wirtschaft

In den vom IS befreiten Gebieten – und auch in Mossul - sind durch UNDP umfangreiche Infrastrukturprojekte umgesetzt worden, die der Bevölkerung den Zugang zur grundlegenden Versorgung mit Wasser, Elektrizität, Bildung und Mobilität ermöglichen. Kommunale Geschäfte, ein Gemüsemarkt und 40 Reparaturwerkstätten für Elektrogeräte und Mobiltelefone entstanden, für eine Näh- und Handarbeitsfabrik für Frauen wurden Geräte und Materialien beschafft.

So wurden tausende – wenn auch teilweise nur temporäre – Jobs geschaffen. Frauen wurden dabei besonders berücksichtigt: so erhielten frauengeführten Haushalte finanzielle Unterstützung und Produktionsmittel. Zusätzlich wurden berufliche Trainings angeboten, u.a. Business Training speziell für Frauen.

Die KfW Entwicklungsbank unterstützt den Wiederaufbau und die Stabilisierung des Irak im Auftrag der Bundesregierung seit 2016 mit einem Portfolio von mehr als 1,37 Mrd. EUR. Neben der Zusammenarbeit mit UNDP und anderen UN-Organisationen setzt die KfW ein Kredit des Auswärtigen Amts in Höhe von 500 Mio. EUR zum Wiederaufbau von grundlegenden Versorgungsinfrastruktur in den ehemals vom Islamischen Staat besetzten Gebieten um. Zudem gehört der Irak seit 2020 zu den „Nexus- und Frieden“-Partnerländern des BMZ, mit denen langfristige bilateralen Entwicklungsziele verfolgt werden.