Meldung vom 27.09.2023 / KfW Entwicklungsbank

Zwischen mächtigen Bergen nachhaltigen Strom erzeugen

Ein neues Wasserkraftwerk in Tadschikistan wurde als weltweit erstes unter dem Hydropower Sustainability Standard zertifiziert. Es wird rund 300.000 Menschen eine verlässliche, umwelt- und sozialverträgliche Stromversorgung ermöglichen und positive wirtschaftliche Effekte für die Bevölkerung nach sich ziehen.

Wasserkraftwerk im Bau mit umgeleitetem Fluss
Das Wasserkraftwerk im Bau inkl. Umleitungskanal, der den Fluss während der Bauphase des Wehrs umleitet und weiter für Lebewesen durchgängig macht.

Eine faszinierende, karge Landschaft: die Provinz Berg-Badachschan im Osten Tadschikistans ist geprägt von Flussschluchten, hohen Felsrücken, Tälern und Gebirgen, die teilweise auf einer Höhe von bis zu 7.000 Metern liegen. Doch für die Menschen ist das Leben in diesem abgelegenen Gebiet oft nicht leicht: Die Bevölkerung sowie die Infrastruktur sind aufgrund des extremen Klimas und einer schroffen Topografie verstärkt von Naturkatastrophen betroffen, was sich auch auf die Stromversorgung auswirkt. Regelmäßig schneiden Überschwemmungen, Erdrutsche und Lawinen die Provinz vom Rest des Landes ab und unterbrechen die Stromerzeugung der zwei größten Wasserkraftwerke, die beide am Fluss Gunt liegen.

Das neue Laufwasserkraftwerk „Sebzor“, das mit finanzieller Unterstützung der KfW Entwicklungsbank und der Europäischen Union in Höhe von insgesamt 63 Mio. Euro am Fluss Shokhdara entsteht, soll hier Abhilfe schaffen: „Mit dem Bau wollen wir dazu beitragen, dass die lokale Bevölkerung mit nachhaltiger, verlässlicher und bezahlbarer Energie versorgt wird“, sagt der KfW-Portfoliomanager Robert Roßner.

Das Kraftwerk wird 11 Megawatt Leistung liefern und Privathaushalte, Gewerbe, Handel, Industrie und die öffentliche Verwaltung mit Strom versorgen. Der Projektträger ist Pamir Energy. Neben den rund 240.000 Menschen in Berg-Badachschan sollen auch rund 55.000 Menschen im angrenzenden Nordafghanistan profitieren.

Die Bevölkerung wird einbezogen und profitiert auf mehreren Ebenen

Durch die erhöhte Stromgenerierung wird auch die ökonomische Entwicklung des Gebietes vorangetrieben – es werden neue Arbeitsplätze entstehen und die Menschen werden ein höheres Einkommen erzielen. Dies wird auch die Bildungsmöglichkeiten, Gesundheitsversorgung und die Ernährungssituation verbessern. Bislang zählen die Bewohner dort zu den ärmsten Bevölkerungsgruppen des Landes. „Die Stromtarife werden subventioniert, so dass sie auch für die ärmeren Menschen erschwinglich sind“, erläutert Roßner.

Von dem besser verfügbaren Strom profitieren im Sinne einer „feministischen Entwicklungspolitik“ insbesondere Frauen, da sie künftig weniger Zeit dafür aufbringen müssen, Brennholz zum Heizen mit klassischen Öfen zu sammeln, in Tadschikistan immer noch hauptsächlich eine Aufgabe von Frauen. Zudem wurde mit Pamir Energy die Finanzierung von Stipendien zur Förderung junger Frauen aus der Region vereinbart.

Vertreter von Pamir Energy und betroffene Anwohner bei einer öffentlichen Anhörung.
Vertreter von Pamir Energy und betroffene Anwohner bei einer öffentlichen Anhörung.

Trotzdem ist der Bau ein Eingriff in die Natur und den Verlauf des Flusses. Ein „Environmental and Social Management Plan“ (ESMP) gemäß Weltbankstandards soll daher dabei helfen, die Eingriffe zu begrenzen. Der Plan sieht einen ökologischen Mindestabfluss im natürlichen Flussbett und eine Fischaufstiegsanlage vor, die den Fluss weiter für Lebewesen durchgängig macht.

Das Projekt bemüht sich auch um eine „Just Transition“ – für die Bevölkerung soll es durch die klimafreundliche Stromerzeugung keine sozialen Härten geben: Der Bau erforderte die Umsiedlung von 17 Haushalten mit über 100 Personen, wird einige Hektar Ackerflächen zerstören und den Handel in lokalen Geschäften beeinträchtigen. Für 35 Familien, deren Landnutzung durch das neue Kraftwerk eingeschränkt wird, werden gemeinsam mit den Familien Unterstützungs- und Ausgleichsmaßnahmen erarbeitet, um Ihre Lebensgrundlage wiederherzustellen.

Marco Leidel, Umwelt- und Sozialexperte aus dem KC für Umwelt- und Sozialverträglichkeit (KCUS), betont: „Dank der engen Zusammenarbeit zwischen Pamir Energy und der KfW konnte die erfolgreiche Umsetzung des Vorhabens sozialverträglich gelingen. Die KfW hat die Umsiedlung der Haushalte finanziert, mehrere Haushalte erhielten Häuser in einem neuen Siedlungsgebiet und die umgesiedelten Familien wurden entschädigt. Der gesamte Prozess wurde durch internationale Experten eng begleitet“.

Die umfangreichen Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprogramme haben zudem dazu geführt, dass das Wasserkraftwerk als erstes weltweit unter dem „Hydropower Sustainability Standard“ der internationalen Hydropower Association (IHA) zertifiziert wurde. „Dadurch wird das Konzept des Kraftwerkes mit Blick auf die Nachhaltigkeit, gemäß internationalem Standard, offiziell bestätigt und gewürdigt“, sagt Marco Leidel. Die Auszeichnung sei auch eine Bestätigung, dass Projekte, die gemäß KfW Nachhaltigkeitsrichtlinie entwickelt werden, zur erfolgreichen Umsetzung der SDGs beitragen.

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