Meldung vom 09.01.2023 / KfW Entwicklungsbank

Perspektive Europa: Wasser knapp oder Wasser satt

Wasser und Strom gelten als Lebenselixir des Gaza-Streifens. Deshalb unterstützt die KfW das Gebiet dabei, die Versorgung mit beidem nachhaltig zu sichern.

Mehrere Personen laufen durch eine überschwemmte Straße
Wassermassen vor einem Markt – hier kommt das wirtschaftliche Leben zum Erliegen.

Der Gaza-Streifen ist ein kleiner Landzipfel zwischen Israel und Ägypten: Er erstreckt sich über 40 Kilometer Länge parallel zur Mittelmeerküste und misst in der Breite gerade mal zwischen 6 und 14 Kilometern. Damit ist er kleiner als das Bundesland Bremen oder die österreichische Hauptstadt Wien, aber sein politisches Konfliktpotenzial ist traditionell groß. Immer wieder wird dieser Teil der palästinensischen Gebiete, der seit 2007 mit einer weitreichenden Blockade konfrontiert ist, von militärischen Auseinandersetzungen erschüttert. Die wirtschaftliche Lage ist angespannt, 80 % der Bevölkerung sind auf externe Unterstützung angewiesen. 2 Mio. Menschen leben auf diesem Landstreifen, der zu den am dichtesten besiedelten Gebieten der Region zählt.

Wasser und Strom sind für das Leben und die Wirtschaft dort essenziell, aber auch knapp – und vor allem unsicher. Elektrizität wird zum großen Teil aus Israel geliefert und ist damit abhängig vom Auf und Ab des Konfliktgeschehens. Wasser gibt es einerseits nicht genug, weil die Hitze im Sommer das Gebiet austrocknet. Andererseits regnet es im Winter so viel, dass es immer wieder zu Überschwemmungen kommt, die das Alltags- und Wirtschaftsleben merklich einschränken können.

Katastrophaler Starkregen belastet den Gaza-Streifen

„Das passiert nicht so oft im Jahr, aber wenn solche Starkregenereignisse eintreten, dann sind sie katastrophal. Wir haben das im vergangenen November erlebt und – etwas abgeschwächt – auch über Weihnachten“, erzählt der KfW-Büroleiter aus Ramallah, David Kunze. Verstärkt wird dieser Effekt durch zunehmend versiegelte Oberflächen, wie sie der Straßen- und Häuserbau in einem so dicht besiedelten Gebiet mit sich bringt. Das stört vielerorts den natürlichen Wasserabfluss.

Es ist diese Mischung aus den besonderen geografischen und politischen Umständen, die die Wasser- und Stromversorgung im Gaza-Streifen zu einer Herausforderung, aber auch zu einer Notwendigkeit für seine weitere friedliche und wirtschaftliche Entwicklung machen. Deshalb ist die KfW in beiden Sektoren engagiert. Darauf bauen nun zwei neue Vorhaben auf, die sie im Dezember unterzeichnet hat und die sich gegenseitig ergänzen. Die KfW agiert hier in Zusammenarbeit mit der EU.

Rückhaltebecken und Abflusseinrichtungen

Im Wassersektor geht es einerseits um einen besseren und vorausschauenden Umgang mit Hochwassersituationen und andererseits um das Auffüllen der Grundwasserspeicher in den regenreichen Monaten, damit in der trockenen Jahreszeit mehr Wasser zur Verfügung steht. Dafür wurden insgesamt 12 Projekte identifiziert, die für 16 Mio. EUR an diversen Orten des Gaza-Streifens umgesetzt werden sollen. Dazu gehören unter anderem Rückhalte- und Infiltrationsbecken, Pumpstationen, Abfluss-Pipelines und mobile Pumpen.

Auf diese Weise soll zum Beispiel die Hauptverkehrsader Salah Al Deen, die sich von Norden nach Süden durch den Gaza-Streifen zieht und alle wichtigen Städte miteinander verbindet, nicht immer wieder überflutet und lahmgelegt werden. Das geschieht, indem eine Senke an der Straße so mit Rohren und Pipelines bestückt wird, dass Wasser auch bei Starkregen rasch abfließt. In Rafah entstehen eine Pumpstation und ein Sickerbecken, das Wasser aufnehmen kann. Auch mobile Pumpen werden angeschafft, die im Notfall schnell für Abhilfe sorgen können.

Mehrere Autos auf einer überschwemmten Straße
Wenn die Salah al Deen Road überflutet ist, kommt regelmäßig der Verkehr ins Stocken.

Die 12 Vorhaben setzt die KfW im Auftrag der EU zusammen mit der CMWU (Coastal Municipalities Water Utility) um, die im Gaza-Streifen für die Wasserver- und Abwasserentsorgung zuständig ist. „Von den Veränderungen werden 75.000 Menschen ganz direkt profitieren. Hunderttausenden nutzt das bessere Wassermanagement indirekt, weil das Alltagsleben in den regenreichen Wochen dann insgesamt reibungsloser ablaufen kann“, sagt Monther Shoblaq, Generaldirektor der CMWU. In wenigen Regionen der Welt wird der Druck sich überlappender und gegenseitig verstärkender Schwierigkeiten so spürbar wie hier. Doch zumindest beim Hochwasserschutz sind nun die Weichen gestellt für eine nachhaltige Entlastung, die auch neue Freiräume für den Gaza-Streifen eröffnen wird. „Wir haben dadurch den Rücken frei, weitere Entwicklungsschritte anzugehen, die den Menschen hier Perspektive bieten sollen“, meint Monther Shoblaq.

Wasser spielt bei der Zusammenarbeit mit den Palästinensischen Gebieten, wie überhaupt mit der arabischen Welt, traditionell eine große Rolle. Aber bisher ging es dabei eher um die Wasserversorgung im engeren Sinne oder um effiziente Methoden beim Einsatz von Wasser. Dies ist nun das erste internationale Vorhaben, das einen Beitrag zum Thema Starkregen und Eindämmung von Überflutung im Gaza-Streifen leistet. Weitere werden vermutlich folgen, denn solche Extremwetterereignisse treten bereits häufiger auf als früher. „Die Klimaprojektion für die Region zeigt, dass extreme Wettereignisse wie Starkniederschläge und die damit verbundenen Überflutungen dort wahrscheinlich eine steigende Tendenz haben werden“, sagt die zuständige Projektmanagerin Anja Volk. „Deshalb ist es wichtig, diese Herausforderung schnell und konsequent anzugehen“.

Nachhaltige Energie als Beitrag zu mehr Versorgungssicherheit

Ergänzend dazu hat die EU die KfW mit einem zweiten Vorhaben mandatiert: Hier geht es um den Ausbau von erneuerbaren Energien im Wassersektor, aber auch im Schul- und Gesundheitsbereich. Damit will man einen Beitrag zu einer klimafreundlichen Energieversorgung der öffentlichen Infrastruktur leisten, aber vor allem auch unabhängiger von externen Energiezulieferungen werden. Jede PV-Anlage – das Potenzial dazu ist im Gaza-Streifen besonders groß - stärkt die Selbstversorgung.

Im Fokus stehen dabei sechs Maßnahmen im Wert von knapp 9 Mio. EUR, darunter eine zwei-Megawatt-Solaranlage für eine Kläranlage in Khan Yunis im Süden des Gaza-Streifens, kleine PV-Anlagen auf Brunnen und auf den Dächern von Schulgebäuden und Gesundheitszentren, sowie „intelligente Zähler“ (smart meters) und Batteriespeicher. Hier läuft die Zusammenarbeit mit dem Energieversorger PENRA (Palestinian Energy and Natural Resources Authority). „Der Energiemangel hat in der Vergangenheit immer wieder dazu geführt, dass grundlegende Services wie Trinkwasser oder Gesundheitsdienste nicht angeboten werden konnten,“ erklärt David Kunze.

Beide Vorhaben sollen auch recht schnell umgesetzt werden. Geplant ist eine Fertigstellung der 18 Maßnahmen innerhalb von etwa drei Jahren. Damit wären sicher nicht alle Wasser- und Stromprobleme dort behoben. „Aber sie bringen die Entwicklung des Gaza-Streifens vorwärts, leisten einen Beitrag zu mehr Versorgungssicherheit“, wie Anja Volk sagt. Wodurch das Leben der Menschen in dieser konfliktbeladenen Region auch ein Stück berechenbarer wird.