Grundlage für Versöhnung legen

Psychosoziale Angebote helfen, Gewalterfahrungen zu verarbeiten

Elektrikerinnen arbeiten im Rahmen ihrer Ausbildung in einer Werkstatt
Für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt ist es enorm wichtig, professionelle Unterstützung zu bekommen. (Symbolfoto)

Nach schweren bewaffneten Konflikten im Norden Äthiopiens leben viele Menschen in Äthiopien mit einem Trauma. Insbesondere Frauen haben schwer leiden müssen, auch unter Vergewaltigungen. Bisher gab es keine ausreichende psychosoziale Unterstützung. Im Auftrag der Bundesregierung stellt die KfW nun Mittel bereit, um Beratungsangebote insbesondere für Frauen aufzubauen. Diese sollen dazu beitragen, die Gesellschaft wieder zu versöhnen und die Gewaltspirale zu durchbrechen.

Depressionen, Traumata und posttraumatische Belastungsstörungen – in Äthiopien leiden sehr viele Menschen, vor allem Frauen, an psychischen Problemen. Das sind Folgen der langanhaltenden Konflikte, die das Land in den vergangenen Jahren erschüttert haben. Der Klimawandel verschärft die sozialen Spannungen, denn aufgrund von Dürren und Fluten steht immer weniger bebaubares Land zur Verfügung. Der Kampf um Ressourcen ist einer der Gründe für die bewaffneten Auseinandersetzungen, die trotz einer 2022 vereinbarten Waffenruhe immer wieder aufflammen. Die Menschen in Äthiopien sind sehr arm und die Situation verbessert sich nicht. Im weltweiten Vergleich der menschlichen Entwicklung (Human Development Index) ist Äthiopien von Platz 173 (von insgesamt 189) im Jahr 2019 auf Platz 175 im Jahr 2022 abgerutscht.

Posttraumatische Belastungsstörungen

Der Bürgerkrieg in den Provinzen Tigray, Amhara und Afar zwischen 2020 und 2022 kostete über eine halbe Million Menschenleben und zwang Millionen zur Flucht. Noch im Herbst 2022 wurden 2,6 Millionen Binnenvertriebene gezählt, von denen die meisten bis heute nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten. Frauen gehören zu den Haupt-Leidtragenden des Konflikts, denn sexualisierte Gewalt wurde gezielt als Waffe eingesetzt. Es gab mindestens 10.000 Vergewaltigungen, die Dunkelziffer ist hoch.

Doch auch im Alltag sind viele Frauen in Äthiopien bedroht. In einer Umfrage gaben 35 % der verheirateten Frauen an, schon einmal körperliche, psychische oder sexuelle Gewalt durch ihre Partner erlebt zu haben. Zudem ist weibliche Genitalverstümmelung weit verbreitet.

Die schlimmen Erfahrungen zeigen Folgen: Einer Schätzung der Weltbank zufolge leidet fast jede zweite Äthiopierin unter posttraumatischen Belastungsstörungen, bei den Binnenflüchtlingen liegt der Anteil noch höher. Ihnen konnte bisher jedoch kaum geholfen werden, da psychosoziale Beratung und Traumatherapie für Gewaltopfer nur in sehr begrenztem Umfang verfügbar waren.

Angebote für psychosoziale Hilfe

Die dringend benötigten Hilfsangebote werden jetzt auch mit Unterstützung Deutschlands aufgebaut. Psychosoziale Beratungen sollen in Zukunft Krankenhäuser, Gesundheitszentren und viele der landesweit 61 One Stop-Zentren in den konfliktbetroffenen Regionen anbieten. Diese Zentren integrieren nicht nur Gesundheitsversorgung, sondern auch Therapien und Rechtsberatung.

Dafür stellt die KfW im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zunächst 25 Mio. Euro zur Verfügung, weitere 7 Mio. Euro wurden 2023 zugesagt. Die Mittel werden in einen Fonds der Weltbank eingezahlt, die das Vorhaben gemeinsam mit der äthiopischen Regierung konzipiert hat und dessen Implementierung eng begleitet. Sie zahlt sie an die äthiopische Regierung aus, berät diese und beauftragt begleitende Studien. Das Ministerium für Frauen und soziale Angelegenheiten des ostafrikanischen Landes setzt das Vorhaben um und wird vom UN-Kinderhilfswerk UNICEF beraten.

Rasche Ausweitung der Unterstützung

Um das Angebot zur psychosozialen Hilfe schnell und effizient ausweiten zu können, werden zunächst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Regierung und von Gesundheitsstationen sowie One Stop-Zentren geschult, auch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter werden qualifiziert. Die Ausbildung besteht nicht nur aus Modulen zur psychosozialen Unterstützung, sondern enthält auch Informationen zu medizinisch forensischen Untersuchungen und zur behördenübergreifenden Zusammenarbeit. Das Gesundheitspersonal bekommt Supervision. Mitarbeitende von Polizei, Gerichten und Verwaltungen werden für einen rücksichtsvollen Umgang mit Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt sensibilisiert.

In der Provinz Tigray wurde das Programm bereits in einer Kooperation zwischen Weltbank und UN-Organisationen schnell ausgeweitet. Ein großer Anteil der gewaltbetroffenen Frauen kann nun dort betreut und behandelt werden. Die KfW-Mittel werden in den Provinzen Amhara und Afar eingesetzt.

Wirtschaftliche Perspektiven bieten

Damit die Frauen nach der Therapie wieder in der Gesellschaft Fuß fassen und eigenständig leben können, gehört zu dem Vorhaben auch eine allgemeine Lebensberatung, die den Umgang mit Finanzen und die Gründung von Kleinstunternehmen einbezieht.

Beratungen und Therapien helfen, die erfahrene Gewalt besser zu verarbeiten. Die Frauen gehen innerlich gestärkt aus den Sitzungen hervor und können auch in Zukunft Belastungen besser bewältigen. Mittelfristig soll das Angebot auf Männer ausgeweitet werden, etwa zurückkehrende Kämpfer. Auf einer übergeordneten Ebene trägt psychosoziale Unterstützung dazu bei, eine Versöhnung der Gesellschaft zu fördern und die Gewaltspirale zu durchbrechen.