Meldung vom 25.11.2020 / KfW Entwicklungsbank

Pandemie als unbekannte Größe

Brent Wanner stellte den World Energy Outlook 2020 beim KfW-Entwicklungsforum vor

Karge Landschaft mit großer Photovoltaik-Anlage
Die Sonnenenergie ist der neue König unter den Energiequellen.

Noch ist unklar, wie sich die COVID 19-Pandemie und ihre Folgen langfristig auf die weitere Entwicklung des Energiesektors auswirken wird. Beim Entwicklungsforum der KfW stellte Brent Wanner den World Energy Outlook (WEO) 2020 der Internationalen Energieagentur (IEA) vor. Der Senior Energy Analyst erläuterte vor mehr als 200 Teilnehmern, welche Hindernisse etwa noch auf dem Weg zu einer Null-Emissionen-Energiepolitik zu überwinden sind und warum die Solarenergie der neue „König“ unter den Erzeugungstechnologien sein wird.

Es ist noch zu früh zu sagen, ob die Pandemie einen Rückschlag für die Bemühungen um ein sichereres und nachhaltigeres Energiesystem darstellt oder vielmehr einen Katalysator, der das Tempo des Wandels zu mehr sauberer Energie beschleunigt. Die Krise ist noch lange nicht vorbei, es bestehen noch viele Unsicherheiten. Daher stellte Brent Wanner, Senior Energy Analyst der IEA, seine Aussagen unter Vorbehalt. Die Pandemie bildet die große Unbekannte, wenn es um Aussagen zum Energiesektor geht. Deutlich zu erkennen ist, dass der Energieverbrauch im laufenden Jahr weltweit eingebrochen ist. Doch wie schnell wird der Bedarf wieder hochschnellen? Kommt es zu einer allmählichen oder zu einer baldigen Erholung der globalen Wirtschaft? Werden bei einer Erholung der Wirtschaft nachhaltige Wege eingeschlagen? Da dies niemand voraussehen kann, operiert die IEA in ihrem mehr als 400 Seiten starken Bericht mit drei verschiedenen Szenarien.

Vier Szenarien für die Zukunft

Das erste (Stated Policies) Scenario geht davon aus, dass die bisherige Energiepolitik beibehalten wird und die Pandemie bereits 2021 eingedämmt wird. Das zweite Szenario (Delayed Recovery Scenario) nimmt an, dass sich die Erholung der weltweiten Wirtschaft und damit der Energienachfrage deutlich verzögert. Demnach wäre erst 2025 der bisherige Nachfragelevel wieder erreicht. Ein drittes Szenario (Sustainable Development Scenario) zeigt, wie die Energiemärkte aussehen, wenn es zu einem deutlichen Wandel hin zur Nutzung von Erneuerbaren Energien und rapidem Sinken von Treibhausemissionen käme. Darüber hinaus geht das vierte Szenario. Dieser Pfad wird als „Net Zero Emissions by 2050“ (NZE 2050) bezeichnet und im aktuellen WEO erstmals näher beschrieben – er verlangt einschneidende Änderungen der Lebensverhältnisse und klare politische Entscheidungen. Zwar hat die IEA auch bei ihren bisherigen Berichten verschiedene Szenarien berücksichtigt, doch diese Herangehensweise bezeichnete Brent Wanner beim per Videokonferenz übertragenen Entwicklungsforum als „wichtiger denn je“.

In diesem Jahr ist die weltweite Nachfrage nach Energie um fünf Prozent gesunken. Sobald es zu einer Erholung kommt, ist die entscheidende Frage, welchen Anteil die Erneuerbaren Energien in Zukunft einnehmen werden. Wie schnell kann ein Ausstieg aus Kohle und anderen fossilen Energiequellen weltweit umgesetzt werden?

Sonnenenergie ist der neue König

Als „sehr gute Nachricht“ bezeichnete Brent Wanner die zunehmende Bedeutung der Solarenergie. Diese sei nun der hauptsächliche Treiber von Wachstum, und zwar in allen vier Szenarien der IEA. Denn unabhängig von der prognostizierten Entwicklung zeigt die Solarenergie von allen Energiequellen den stärksten Zuwachs. Dieser „neue König“ der Energiequellen sei außerdem mittlerweile die preiswerteste Stromquelle überhaupt. Noch bis 2030 werde sich ihre Nutzung verdreifachen. Als größten Nachteil der Sonnenenergie sieht die IEA ihre geringe Flexibilität. Um Sonnenenergie noch effizienter nutzen zu können, sind Speicher und neue Technologien, welche die Flexibilität eines Energiesystems erhöhen, vonnöten. Der Netzausbau sei zudem ein entscheidender Faktor, damit Energie zuverlässig und preiswert stets verfügbar sei. Doch die Pandemie hat auch die Einnahmen der Netzbetreiber deutlich verringert, allein in Deutschland um 5,5 Prozent.

Null-Emissionen-Ziel schneller verfolgen

Einen weiteren Schwerpunkt seiner Präsentation legte Brent Wanner auf die Notwendigkeit, den Ausstoß von Treibhausgasen schnell und stark zu senken. Ziel ist es, bis 2050 auf Null Emissionen zu kommen. Dafür müssten jedoch nicht nur die EU, UK, Neuseeland oder auch China – welches bis 2060 Klimaneutralität erreichen möchte - ihre ehrgeizige Politik umsetzen, sondern auch der Rest der Welt ebenso ambitioniert vorgehen. Hier sieht die IEA uns noch „weit vom Ziel entfernt“. Hier sei „noch viel mehr Anstrengung erforderlich“, mahnte der Senior Energy Analyst. Sowohl Bürger, Wirtschaftsunternehmen als auch Finanzinstitutionen müssten noch „dramatische zusätzliche Handlungen“ unternehmen, um dem Null-Emissionen-Ziel bis 2050 näher zu kommen. Im Einzelnen nannte Wanner die rapide Zunahme des Anteils an E-Mobilität und eine Reduzierung des Flugverkehrs.

Einfluss der Finanzierer

„Die Finanzinstitutionen haben einen enormen Einfluss“, betonte Brent Wanner. „Wir brauchen mehr als vier Mal so viele Investitionen in saubere Energie wie 2020, um das Null-Emissionen-Ziel 2050 zu erreichen.“ Er bezifferte den Finanzbedarf in 2030 auf über 1,6 Billionen US-Dollar anstatt der aktuellen 380 Mrd. US-Dollar, um das NZE 2050-Szenario Wirklichkeit werden zu lassen. Insbesondere müsse ein Ausbau der Erzeugungs- und Netzinfrastruktur im Stromsektor massiv vorangetrieben werden. Werde die bisherige Infrastruktur unverändert beibehalten, drohe ein Anstieg der globalen Temperaturen allein durch den Energiesektor um 1,65 Prozent. Dies ließe alle Klimaziele unerreichbar werden. „Eine Dekarbonisierung der Energiegewinnung ist die zentrale Voraussetzung, um die Klimaziele zu erreichen“, betonte Wanner.

Zusammenfassend erklärte er, es sei noch offen, ob die Pandemie als Katalysator zu einem globalen Wandel der Energienutzung beitrage oder ob sie vielmehr alteingefahrene Wege und Verhaltensweisen zementiere. Positiv sei der zunehmende Anteil der Erneuerbaren Energien an der Gesamtnutzung, doch seien weitere massive Investitionen in die Infrastruktur unabdingbar. Das Null-Emissionen-Ziel bis 2050 fordere eine forcierte Entwicklung von sauberen Technologien, sei es die Wasserstoffnutzung, die Kohlenstoffspeicherung oder die weitere Entwicklung und Kostendegression bei Batteriespeichern.

Die Rolle Afrikas

In der von Teamleiter Peter Hilliges und Sektorökonom Frank Seidel moderierten Diskussion wurde ebenfalls die Bedeutung Afrikas für den globalen Wandel der Energienutzung erörtert. Die Wirtschaft Afrikas entwickle sich rasch, damit steige auch die Energienachfrage, sagte Brent Wanner. Daher könne der Kontinent auch viel dazu beitragen, dass der Welt-Energiemarkt einen nachhaltigen Weg einschlage.

Wanner betonte weiterhin den Einfluss politischer Entscheidungen darauf, welches Szenario für die Zukunft verwirklicht werde. „Wir müssen die Nachfrage nach Öl niedrig halten, das ist ein Schlüssel zur globalen Energiewende“, bekräftigte er. Auch ein deutlich höherer CO2-Preis könne „eine extrem effektive Maßnahme sein“ mit sofortigem Einfluss.

Weitere Informationen auf der Themenseite zu SDG 13