Meldung vom 27.07.2021 / KfW Entwicklungsbank

Perspektive Europa: Energiewende im Gebäudesektor

KfW und Fraunhofer Institut fördern Niedrigstenergiegebäude auf dem Balkan

Renovierte Grundschule in Pljevlja, Montenegro
In dieser nach EU-Normen sanierten Grundschule in Pljevlja, Montenegro, haben die Hoffnungen auf eine höhere Lebensqualität schon Gestalt angenommen.

Die Länder des West-Balkans – Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien – streben alle in die EU. Dafür müssen sie sich auf vielen Gebieten EU-Standards und Regularien annähern, auch beim Thema Energie. Die KfW und das Fraunhofer Institut für Bauphysik unterstützen sie im Auftrag der EU bei der Umstellung auf Gebäude, die so gut wie keine Energie verbrauchen oder sogar mehr Energie produzieren als sie benötigen.

Die Internationale Energieagentur (IEA) erachtet Energieeffizienz als die wichtigste Energiequelle überhaupt – „as the world´s first fuel“. Sie sei die am meisten unterschätzte Ressource und ihr Potenzial noch nicht einmal annähernd ausgeschöpft. Das gilt für nahezu jede Weltregion, aber ganz besonders für den Westbalkan. In allen sogenannten WB6-Staaten ist die Energieproduktivität weiterhin niedrig; entsprechend lohnen sich Maßnahmen und Investitionen zum Energiesparen. Der Gebäudesektor ist für rund 40% des gesamten Energieverbrauchs und etwa ein Drittel des CO2-Ausstoßes in der Region verantwortlich. Ohne Gebäudewende also keine Energiewende.

Im Oktober 2020 haben sich die sechs Länder zur sogenannten „Grünen Agenda für den Westbalkan“ bekannt, die den „Green Deal“ der EU in ihre Region ausdehnen soll. Eines der zentralen Ziele der EU lautet: die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % zu senken. Damit hat die EU ihr ursprüngliches Ziel von 40 % bis 2030 noch einmal deutlich gesteigert. Diese Marge gilt nun auch für die WB6-Länder. Und ein wichtiger Baustein, um das Ziel zu erreichen, ist Energieeffizienz. Vor allem, weil Häuser und Gebäude auf dem Balkan stark veraltet sind und im Schnitt deutlich mehr Energie benötigen als im restlichen Europa.

Grundschule vor der Renovierung in Pljevlja, Montenegro
Die vielerorts veralteten öffentlichen Gebäude lassen das große Potenzial, aber auch den enormen Aufholbedarf angesichts der „Perspektive Europa“ besonders deutlich werden.

An grüne Agenda der EU anpassen

Die EU schreibt ihren Mitgliedstaaten seit Anfang 2021 vor, alle neuen Gebäude mindestens als „Niedrigstenergiegebäude“ zu errichten. Das heißt, sie dürfen nur sehr wenig Energie verbrauchen oder sollten möglichst sogar Energie produzieren, und zwar mehr, als sie benötigen. Während die EU-Staaten diese EU-Direktive bereits in nationales Recht umgesetzt haben, steht dies bei den Ländern des Westbalkans noch aus.

Dafür erhalten sie Unterstützung vom deutschen Fraunhofer Institut und der KfW Entwicklungsbank im Auftrag der Bundesregierung und des „Western Balkans Investment Framework“ (WBIF) der EU. Das Fraunhofer Institut für Bauphysik, das große Expertise auf diesem Gebiet aufweist, berät die Länder unter anderem dabei, die Definitionen für „Niedrigstenergiegebäude“ zu erarbeiten. Zudem wird es helfen, Pilotgebäude zu entwerfen und beim Neubau bzw. der Sanierung zu unterstützen und damit Beispiele für die gesamte Region zu schaffen. Und schließlich sollen viele weitere Häuser auf dem Balkan auf ein neues Energieniveau gehoben werden, um Hocheffizienzgebäude als „New Normal“ zu etablieren und ambitionierte Klimaziele zu erreichen.

Ein Leuchtturm-Gebäude

Montenegro, das als Vorreiter auf dem Gebiet der Energieeffizienz gilt, plant in der Hauptstadt Podgorica einen neuen Ministerialkomplex nach diesem Standard. „Mit mehreren Ministerien unter einem Dach, soll dieses Gebäude ein leuchtendes Beispiel für hochmodernen Energieeffizienz-Standard werden. „Dieser Komplex ist ein greifbarer Beleg dafür, dass wir die Grüne Agenda umsetzen. Und wir hoffen, dass noch viele weitere Gebäude nach diesem Muster folgen werden“, sagt Marko Perunovic, Staatssekretär in Montenegro und zuständig für Energieeffizienz.

Der Energieverbrauch des Gebäudes wird bei nahe Null oder Null liegen und vielleicht wird es sogar ein Plus-Energie-Haus. Solche Gebäude generieren so viel – oder sogar mehr – Energie aus erneuerbaren Quellen, wie sie für Heizen und Kühlen benötigen. Sie sind klimaneutral und stehen für das Bauen der Zukunft.

Das Gebäude wird in der gesamten Region viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Albanien und Nordmazedonien erwägen bereits, ebenfalls Nahe-Null-Häuser zu fördern und zu bauen. Diese Beispiele sollen Schule machen und im nächsten Schritt auch Privatleute dazu motivieren, ihre Häuser entsprechend umzurüsten. Schließlich stellt beim Thema Energie die größte Herausforderung auf dem Balkan der Gebäudebestand dar – und bietet zugleich das größte Potenzial. Wenn es gelingt, dieses Potenzial zu nutzen, dann könnte Energieeffizienz dort, ganz im Sinne der IEA, wirklich zur „wichtigsten Energiequelle“ werden.