Meldung vom 04.11.2020 / KfW Entwicklungsbank

One Health – Gesundheit ist nicht teilbar

Die Pandemie zeigt: Ereignisse am anderen Ende der Welt können bis hierher reichen

Ein afrikanischer Arzt betrachtet eine Medikamentendose, weitere Arzneimittel befinden sich im Hintergrund in einem Schrank.
Menschliche Gesundheit ist sehr eng mit der Gesundheit von Tieren und der Umwelt verbunden.

Die COVID-19-Pandemie hat uns drastisch vor Augen geführt, dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist und der Mensch sie durch sein Verhalten und die nachhaltige Schädigung von Umwelt und Natur aufs Spiel setzt. Noch ist nicht vollkommen geklärt, wie das Corona-Virus auf den Menschen überspringen konnte, aber Wissenschaftler halten Zoonosen für die plausibelste Erklärung; das sind Infektionskrankheiten, die zwischen Menschen und Tieren übertragbar sind. Bei mehr als 70 % davon sind Wildtiere beteiligt – auch der aktuelle Erreger soll von Wildtieren stammen.

Umso wichtiger ist es, Menschen, Tiere und die Umwelt als Einheit zu betrachten. Nur wenn sie möglichst gedeihlich nebeneinander und miteinander existieren, ist das Überleben aller gesichert. Diese Sichtweise, die durch COVID-19 neue Aktualität und Brisanz erhalten hat, bezeichnet man als One-Health-Ansatz. In der Entwicklungszusammenarbeit ist er schon länger Thema; er findet sich auch als sogenanntes „Initiativthema“ in der Strategie 2030 des BMZ wieder, die bereits vor Ausbruch der Pandemie verabschiedet wurde.

Pandemie-Risiken unbedingt senken

Warum der One-Health-Ansatz wichtig ist, was er genau umfasst und wo die Entwicklungsbank schon dazu beiträgt bzw. sich künftig stärker engagieren könnte, darum ging es in einer digitalen Diskussion der Entwicklungsbank mit den beiden Wissenschaftlerinnen Professor Dr. Dr. Sabine Gabrysch und Dr. Kim Grützmacher. Sabine Gabrysch ist Professorin für Klimawandel und Gesundheit an der Berliner Charité und leitet die Abteilung Klimaresilienz am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Sie gehört dem Beirat „One Health“ des BMZ an. Dr. Kim Grützmacher ist studierte Veterinärmedizinerin und arbeitet als Programmmanagerin im Gesundheitsprogramm der Wildlife Conservation Society (WCS). Sie ist außerdem stellvertretende Vorsitzende des Beirats „One Health“ des BMZ.

Screenshot einer Telefonkonferenz über One Health: Dr. Anna-Maria von Roda, Prof. Sabine Gabrysch, Karen Möhring und Dr. Grützmacher.
Professorin Gabrysch und Dr. Grützmacher mit Dr. Anna-Maria von Roda und Karen Möhring, den beiden Moderatorinnen der Veranstaltung.

Beide ließen in ihren Impuls-Vorträgen keinen Zweifel, dass sich Pandemien wie die jetzige – vielleicht sogar in schlimmerer Form – wiederholen werden, wenn der Mensch weiter auf Kosten der Natur lebt. Wenn er also Ökosysteme weiter degradiert: zum Beispiel durch Straßenbau, Bergbau, Rodungen, die Ausweitung von Städten und Siedlungen, durch Kriege oder schädliche landwirtschaftliche Praktiken wie Monokulturen und massenhaften Einsatz von Antibiotika. Sie alle gelten als Treiber und Verstärker für den Kontakt mit Wildtieren. Mit steigender Degradierung erhöht sich dieser Kontakt – und damit das Risiko für ein Überspringen von Erregern. Schlecht aufgestellte Gesundheitssysteme, mangelhafte Ernährung und weltumspannende Mobilität verstärken das Pandemierisiko. Es ist also entscheidend, Systemzusammenhänge zwischen menschlicher Gesundheit, Tiergesundheit und Umweltgesundheit besser zu verstehen und zu managen.

Ein umfassendes Gesundheitskonzept

Zoonosen, darin waren sich die Expertinnen einig, werden sich auch in Zukunft nicht ganz vermeiden lassen. Mit leistungsfähigen Gesundheitssystemen darauf zu reagieren ist wichtig, reicht aber nicht: Sondern man muss den Ursachen weiter an die Wurzeln gehen, also zum Beispiel Wälder und Artenvielfalt schützen, nachhaltige Landwirtschaft fördern, Ressourcen schützen, Feuchtgebiete erhalten, und dabei umfassend und sektorübergreifend denken. Genau diese Systemzusammenhänge stellt der One-Health-Ansatz her.

Großer, dichter und grüner Wald von oben. In der Ferne sind Berge zu erkennen.
Intakte Wälder – wichtig, um Pandemierisiken zu senken.

Und genau hierzu versucht die Entwicklungsbank mit ihrem Portfolio einen Beitrag zu leisten; sie unterstützt Länder einerseits dabei, solide Gesundheitssysteme aufzubauen und andererseits die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. „Habitatschutz und Schutzgebiete sind absolut wichtig für die Senkung der Risiken künftiger Pandemien“, sagte Kim Grützmacher. Und wo Länder dazu nicht aus eigener Kraft in der Lage sind, versucht die KfW Unterstützung zu leisten.

Prävention 500 Mal günstiger

Prävention ist auch deutlich billiger, als später die negativen Folgen zu bewältigen, wie Grützmacher eine Studie zitierend berichtete: So kostet der Kampf gegen die Pandemie 500 Mal mehr als weltweit Tropenwälder zu erhalten und dadurch die Übertragung von Krankheiten signifikant zu vermindern. Zumal damit auch noch andere Vorteile einhergehen, die in dieser Rechnung noch gar nicht enthalten sind: Artenvielfalt bleibt erhalten, Wälder stabilisieren das Klima, sind wichtig für den Wasserhaushalt und vieles mehr.

Die Pandemie hat noch einmal klar gezeigt, dass es nicht egal ist, was auf der anderen Seite des Globus geschieht, und deshalb Entwicklungszusammenarbeit auch nicht irgendein Almosen ist, sondern in unserem eigenen Interesse liegt. Denn alles hängt mit allem zusammen. „Wir brauchen ein umfassendes Gesundheitskonzept im Zeitalter des Anthropozän“, brachte es Professorin Gabrysch auf den Punkt, weil „die Erde unter einem fortgeschrittenen Homo Sapiens-Befall leidet“.