Meldung vom 17.07.2018 / KfW Entwicklungsbank

Alles zusammen denken

Kolumbien wendet einen neuen Ansatz der Stadtentwicklung an, bei dem verdichtete Räume im Mittelpunkt stehen. Die KfW unterstützt das Konzept.

Straßenszene in Kolumbien
Straßenszene in Kolumbien

Nirgends leben prozentual mehr Menschen in Städten als in Lateinamerika. Zwischen 80 und 90 Prozent der dortigen Bevölkerung wohnt in urbanen Zentren. Nicht immer sind es gleich Megastädte wie Mexiko-Stadt oder Rio de Janeiro, aber die zunehmende Verstädterung stellt die Verantwortlichen überall vor ähnliche Herausforderungen: zu wenig Wohnraum, zu viel Verkehr, weite Wege, lange Transportzeiten, schlechte Luft.

Um diesen Problemen zu begegnen, geht Kolumbien nun einen anderen Weg, als Städte weiter wuchern zu lassen, immer neue Viertel und Straßen zu bauen. Denn längst ist klar, dass das bisherige Städtewachstum Mensch und Natur überfordert und auf Dauer weder nachhaltig noch lebenswert ist.

Gemischte Viertel, kurze Wege

Kolumbien verfolgt deshalb in einigen Modellstädten den sogenannten "Transit-oriented Development"-Ansatz, TOD, bei dem ganze Quartiere verdichtet und für gemischte Zwecke – Arbeit, Wohnen, Freizeit – genutzt werden. Dazu gehört als wichtiges Ziel, ein öffentliches Transportmittel fußläufig erreichen zu können und generell nachhaltigem Verkehr, Grünflächen und Parks mehr Raum zu geben.

Man verspricht sich davon eine höhere Lebensqualität für die Bewohner, kürzere Wege und Pendelzeiten, aber in Zeiten des Klimawandels auch geringere Treibhausgasemissionen. "TOD kombiniert Flächennutzung mit Verkehrsplanung und integriert alles in ein Gesamtkonzept, bei dem auch der Privatsektor nicht fehlen darf", sagte Steve Winkelman vom Center for Clean Air Policy (CCAP) kürzlich bei der Vorstellung des Ansatzes in der KfW. Denn letztlich sei "Mobilität kein Selbstzweck", so Winkelman, sondern "ein Mittel, um Zugänge zu schaffen".

Modellquartiere in vier Städten

Umgesetzt wird das Programm zunächst in vier Städten von der kolumbianischen Entwicklungsbank Findeter in Zusammenarbeit mit dem CCAP, einem internationalen Thinktank. Unterstützung erhält Findeter von der KfW Entwicklungsbank mit Zuschussmitteln in Höhe von 11,7 Millionen Euro aus der NAMA-Fazilität.– Die Fazilität wurde 2013 vom Bundesumweltministerium (BMU) und dem britischen Department of Energy and Climate Change (DECC) gegründet, um ambitionierten Entwicklungs- und Schwellenländern die Umsetzung ihrer nationalen Klimaschutzpläne ("Nationally Appropriate Mitigation Action“ / NAMA) zu ermöglichen. Mit den Zuschussmitteln legt Findeter eine Kreditlinie für die kolumbianischen Modellstädte auf, die gewillt sind, Stadtplanung nach TOD zu betreiben. Die Finanzierungen bestehen jeweils aus einer Kredit- und einer Zuschuss-Komponente. Findeter ist allerdings viel mehr als ein Financier; die Bank tritt auch als Berater und Anwalt für nachhaltige Stadtplanung auf. So werden die Stadtverwaltungen geschult, TOD langfristig in ihre Stadtplanung zu integrieren.

Die Musterquartiere entstehen in den vier mittelgroßen Städten Montería, Manizales, Cali und Pasto, jeweils in Zusammenarbeit mit den dortigen Verwaltungen, aber auch der Privatwirtschaft. Die Pläne dafür entstehen gerade, die ersten Veränderungen werden 2019 in Angriff genommen – am Anfang steht meist eine Stärkung des nicht-motorisierten Verkehrs in Form von Fahrradwegen und Fußgängerzonen. Aber die Pläne reichen bis zu umfassenden ÖPNV-Systemen und neuen Arbeitsplätzen.

Beispiel für andere Kommunen

Von den Quartieren erhofft sich Juan Manuel Robledo, zuständig bei Findeter für das Programm, dass sie als gute Beispiele in vielerlei Hinsicht auf das ganze Land abstrahlen werden: In die Städte selbst, die dadurch sehen, dass sich integrierte Stadtplanung – auch wirtschaftlich – auszahlt, und ebenfalls TOD anwenden. Aber auch in die nationale Politik, die nicht zuletzt aufgrund des Engagements von Findeter gesetzliche Anreize für TOD schafft.

Aus anderen Städten und Ländern, unter anderem aus Brasilien, weiß man, dass sich das Verkehrsaufkommen mit TOD um 20 bis 40 Prozent verringern lässt, da es die Nutzung von nicht-motorisierten und öffentlichen Transportmitteln fördert, sich entlang von Buslinien zudem Geschäfte ansiedeln, mehr Touristen in die Städte strömen, sich weniger Unfälle ereignen und die Gesundheitskosten sinken. "Es gibt viele Co-Benefits bei TOD – und das wollen wir demonstrieren", so Robledo.

Das Konzept hat auch Potenzial für andere Regionen, muss aber jeweils an örtliche und kulturelle Gegebenheiten angepasst werden, wie die zuständige Projektmanagerin Katharina Heß sagt. "Es gibt dafür keine Blaupause, aber klar ist, dass Städte in der ganzen Welt Wege zum Umgang mit Urbanisierung und steigendem Verkehrsaufkommen finden müssen. TOD ist ein Stadtplanungstool, das genau dies bietet."