Meldung vom 01.11.2017 / KfW Entwicklungsbank

"Wir müssen den Paris-Prozess jetzt beschleunigen"

KfW-Vorstandsmitglied Joachim Nagel über das Klimaschutzabkommen und den Beitrag der KfW

Portrait von Herrn Nagel
Dr. Joachim Nagel gehört seit dem 1. November 2017 dem Vorstand der KfW Bankengruppe an und verantwortet das internationale Geschäft. Er ist Nachfolger von Dr. Norbert Kloppenburg. Dr. Nagel war vor seinem Eintritt als Generalbevollmächtigter in die KfW Bankengruppe am 1. November 2016 seit 1999 bei der Deutschen Bundesbank in verschiedenen Leitungsfunktionen tätig.

Ab dem 6. November findet in Bonn die internationale Klimakonferenz statt. Bei dem zweiwöchigen Treffen – dem bisher größten in Deutschland – wird es vor allem um die Umsetzung der Beschlüsse von Paris aus dem Jahr 2015 gehen. KfW-Vorstandsmitglied Joachim Nagel erklärt im Interview, warum der Prozess jetzt dringend an Fahrt aufnehmen muss und was die KfW dazu beitragen kann.

Nicht alle Menschen und alle Regierungen glauben, dass es den Klimawandel gibt. Wie steht die KfW zu dem Thema?

Daran besteht unseres Erachtens kein Zweifel. Ich halte solche Diskussionen im Übrigen für abstrus. Wer sich den Tatsachen nicht völlig verschließt, hat spätestens jetzt bemerkt, dass die Erderwärmung Realität ist. Das Jahr 2017 hat uns ein klares Gefühl dafür vermittelt, welche Auswirkungen der Klimawandel haben kann. Ob Harvey oder Irma, wir sind Zeugen vieler Naturereignisse geworden, die zeigen, welche immensen Schäden durch das Klima verursacht werden können.

Was bedeutet das für die internationale Gemeinschaft?

Es bedeutet, dass wir den Paris-Prozess beschleunigen müssen. Statt uns weiter in Diskussionen um das Ob zu verheddern, müssen wir jetzt unter Hochdruck über das Wie nachdenken: Wie können wir die Beschlüsse von Paris schnell umsetzen, den Klimaschutz und Maßnahmen zur Anpassung rasch verstärken? Das sind die entscheidenden Fragen. Alles andere ist vertane Zeit. Zeit, die wir nicht haben. Wenn wir das Zwei-Grad-Ziel erreichen wollen, müssen wir nun tatkräftig handeln.

Gilt das auch für Deutschland und die KfW?

Auf jeden Fall. Als KfW werden wir unser umfangreiches Engagement der letzten Jahre beibehalten und können es noch ausbauen. Das Thema Klimaschutz und Deutschlands Beitrag dazu sollte unserer Meinung nach auch bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen eine wichtige Rolle spielen. Wir als KfW haben die Politik der Bundesregierung in der Vergangenheit eng begleitet und unterstützt. Die Zusammenarbeit war immer gut. Wir wünschen uns das auch für die kommende Bundesregierung und gehen davon aus, dass das Thema Klima dann mindestens so intensiv, oder noch intensiver, angegangen wird.

Wie genau sah das bisherige Engagement der KfW aus?

Die KfW ist einer der größten Klimafinanziers weltweit. Und das gilt selbst im Vergleich zu großen multilateralen Institutionen wie der Weltbank. Wir haben innerhalb der letzten zehn Jahre 250 Mrd. EUR für Maßnahmen zum Klimaschutz und für Anpassung aufgewendet. Wir tragen 80 % der deutschen Klimafinanzierung. In Deutschland selbst haben wir den Ausbau erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz entscheidend vorangetrieben. Die KfW ist bei der Energiewende hierzulande ein entscheidender Akteur. Aber auch im Ausland haben wir ein breites Spektrum an Projekten und Programmen gefördert und dafür allein im Jahr 2016 rund 7,6 Mrd. EUR zugesagt.

Sie möchten mehr Geschwindigkeit. Aber haben Sie als KfW nicht selbst lange Zeit Kohle gefördert, ein Energieträger, der nicht gerade klimafreundlich ist?

Hier waren wir sicherlich auch ein Produkt unserer Zeit. Früher galt Kohle als sichere und gute Energiequelle und in vielen Entwicklungsländern standen keine Alternativen zur Verfügung. Dies ist heute anders. Seit dem Jahr 2012 machen wir, entsprechend der Definition aus den Kohleleitlinien der Bundesregierung, keine neuen Kohlefinanzierungen mehr.

Wie sehen Ihre Projekte im Ausland genau aus?

Auch im Ausland fördern wir natürlich den Bereich der erneuerbaren Energien. Ob Geothermie in Kenia oder einen der größten Solarparks in Marokko, ob Wasserkraft in Uganda, Solar Home Systems in Bangladesch, Windkraft in Ägypten oder neue Netze in Indien – wir sind auf der ganzen Welt unterwegs, um die globale Energiewende zu beflügeln, die wir für das Zwei-Grad-Ziel brauchen. Aber das ist längst nicht alles: Wir haben zum Beispiel auch Projekte zu Wald-, Küsten- und Meeresschutz in unserem Portfolio, denn sie sind in dem Zusammenhang ebenfalls wichtig.

Können denn auch ärmere Länder zum Klimaschutz beitragen oder gilt das nur für die wohlhabenderen Staaten?

Die Übereinkunft von Paris – und das ist das eigentlich Bemerkenswerte daran – gilt nicht mehr nur für die Industrieländer wie der Vorläufer, das Kyoto-Protokoll. Alle Länder, auch die ärmsten, haben sich nationale Ziele gesetzt, sogenannte National Determined Contributions, NDCs. Der Vorteil ist, dass nun jedes Land nach seiner Geschwindigkeit handeln kann. Wir als KfW unterstützen unsere Partnerländer dabei, diese Ziele umzusetzen und zu erreichen. Trotzdem gilt, dass die Hauptverursacher des Klimawandels, die Industrieländer, den Hauptanteil der Arbeit leisten müssen.

Manche sagen, Klimaschutz sei ein Luxusgut und für ärmere Staaten nicht geeignet.

Als Luxusgut würde ich Klimaschutz und Anpassung nicht bezeichnen, schon weil gerade ärmere Länder überproportional unter den Folgen der Erderwärmung zu leiden haben. Aber klar ist auch: Wir brauchen hier ganzheitliche Konzepte. Ohne sozialen und wirtschaftlichen Nutzen vor Ort ergibt Klimaschutz bei den ärmsten Staaten keinen Sinn. Wenn zum Beispiel Wälder nicht mehr gerodet werden sollen, brauchen die Menschen eine andere Einkommensquelle. Die vernichten den Wald ja nicht freiwillig und gerne, sondern weil sie nicht anders können, weil sie sonst nichts zum Leben haben.

Könnten Sie dafür ein Beispiel anführen?

Wie das gehen und funktionieren kann, konnte ich im brasilianischen Regenwald selbst beobachten. Ich saß frühmorgens um sechs Uhr vor einer Hütte und sah, wie Kinder von irgendwoher aus dem Amazonas in ihre Schule gebracht wurden. Sie trugen Schuluniformen und sind freudestrahlend dorthin marschiert. Die Schule war neu entstanden und Teil einer größeren Veränderung, zu der statt des Schlagens von Edelhölzern auch der Maniokanbau gehört. Das ist ein ganzheitlicher Ansatz, wie wir ihn befürworten, weil eine einseitige Fokussierung auf Klimavorhaben in den Entwicklungsländern nicht funktioniert.

Wo und wie könnte die KfW noch beschleunigend wirken?

Wir können unser Fördervolumen noch steigern. Und wir können neue Finanzierungsinstrumente für grüne Finanzierungen entwickeln. Das halte ich für dramatisch wichtig. Die KfW hat in ihrer 70-jährigen Geschichte oft genug gezeigt, dass sie innovativ ist. Ob Mikrofinanzen, Klimaschutzversicherungen oder Blending – also das Kombinieren von Geldern aus verschiedenen Finanzierungsquellen – die KfW hat immer wieder bewiesen, dass sie ideenreich unterwegs sein kann. Und das werden wir auch künftig. Der Klimaschutz muss zu einem guten Teil auch über die Kapitalmärkte stattfinden.

Macht die KfW schon genug bei der Anpassung an den Klimawandel?

Nein, im Vergleich zum Klimaschutz wird Anpassung oft vernachlässigt, weil es eben nicht so leicht greifbar ist wie ein Autoauspuff oder Industrieschlote, die Abgase ausstoßen. Wir finanzieren bereits Vorhaben, zum Beispiel in den Bereichen Landwirtschaft und Wasser, im Flutschutz oder beim Bau von Schutzunterkünften für Zyklone. Aber insgesamt müssen wir hier noch viel mehr tun. Der Bedarf ist kaum abschätzbar und für Entwicklungsländer sind diese Themen wahrscheinlich sogar wichtiger als der Klimaschutz selbst.

Was erhoffen Sie sich von Bonn?

Ein starkes Signal, dass man sich von dem Weg, der in Paris eingeschlagen wurde, nicht abbringen lässt, sondern entschlossen weiter macht.

Das Interview führte Friederike Bauer.