Meldung vom 19.07.2017 / KfW Entwicklungsbank

Die Verkehrswende ist so wichtig wie die Energiewende

Tania Rödiger-Vorwerk, Unterabteilungsleiterin Umwelt und Infrastruktur im BMZ

Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr eine neue Initiative zum Ausbau urbaner Mobilität – TUMI, „Transformative Urban Mobility Initiative“ – ins Leben gerufen. Tania Rödiger-Vorwerk, zuständige Unterabteilungsleiterin im BMZ, erläutert, warum es höchste Zeit ist, Energie- und Verkehrsthemen zu koppeln und wieso Mobilität künftig nachhaltig und energieautark sein muss.

Was hat die Bundesregierung bewogen, TUMI aufzulegen?

Dafür gab es verschiedene Gründe: Erstens der Befund, dass die Städte rund um den Globus im Verkehr untergehen. Zweitens wissen wir, dass nachhaltige Mobilität ein zentraler Baustein ist, um die internationalen Klimaziele zu erreichen. Schließlich spielt öffentlicher Nahverkehr auch eine entscheidende Rolle, wenn es um Armutsbekämpfung und Inklusion geht. Weil Verkehr in vielerlei Hinsicht bedeutsam ist, haben wir uns entschlossen, ihn künftig stärker zu fördern und deshalb TUMI gestartet.

Was genau erwartet die Bundesregierung von TUMI?

Das BMZ möchte dem Zukunftsthema nachhaltige Mobilität größeres Gewicht verleihen, bei uns und bei anderen. Es soll in den Portfolien der Geber eine größere Rolle spielen als bisher. Wir wollen das Thema auch stärker im politischen Dialog mit unseren Partnern zur Sprache bringen. Und natürlich verbinden wir mit TUMI ganz konkret die Erwartung, dass sich integrierte nachhaltige Mobilitätskonzepte in Entwicklungs- und Schwellenländern schneller umsetzen lassen.

Viele sprechen von einer globalen Verkehrswende, vor der wir stehen. Manchen gilt sie sogar als die nächste Energiewende. Wie sehen Sie das im BMZ?

Die Verkehrswende ist so wichtig wie die Energiewende und auch in ihrer Dimension vergleichbar. Beide hängen eng zusammen.

Inwiefern hängen die beiden zusammen?

Die globale Energiewende gelingt nur, wenn wir es schaffen, auch den Transport umweltfreundlich zu organisieren. Deshalb geht es jetzt darum, nachhaltige Energie und Mobilität zueinander zu bringen: Ich denke an solarbetriebene Fähren, Seilbahnen etc., aber auch an U-Bahnen, die mit Solar- oder Windstrom fahren. Für diese nachhaltige Energieversorgung von Mobilitätsangeboten gibt es derzeit weder eine größere Nachfrage noch ein größeres Angebot, auch keine nennenswerte Finanzierungen. Dort müssen wir hinkommen; das ist die kritische Lücke. Wir brauchen nachhaltige Energie für nachhaltige Mobilität.

Haben Sie den Eindruck, dass die Verantwortlichen rund um den Globus das schon verstanden haben?

Nein, habe ich nicht. Leider. Uns fehlt auch noch das Wissen, wo wir genau stehen. Deshalb benötigen wir Bestandsaufnahmen darüber, was an nachhaltiger Mobilität in Entwicklungsländern schon vorhanden ist, wie hoch der tatsächliche Bedarf angesichts des ungebrochenen Urbanisierungstrends ist und wie die Lücke so schnell wie möglich geschlossen werden kann.

Der Handlungsdruck ist da, stundenlange Staus sind in vielen Städten längst an der Tagesordnung. Warum geht das alles nicht schneller?

Es gibt verschiedene Blockaden: Die Finanzierung ist eine. Genau wie bei der Energiewende braucht es auch hier staatliche Impulse. Zahlreiche Geber haben ihre Portfolien bei Infrastrukturprojekten in den vergangenen Jahren jedoch herunter gefahren. Es dauert eine Weile, bis die Investitionen wieder anlaufen. Dazu kommt ein Defizit bei den Kommunen selbst: Viele der derzeitigen Stadtplaner sind – etwas überspitzt formuliert – ausgebildet, um Autostädte zu planen. Wir brauchen aber Stadtplaner, die anders denken und integrierte Verkehrskonzepte entwerfen. Hier sehe ich einen großen Aus- und Fortbildungsbedarf. Und die Bürgermeister vieler Kommunen müssen vorausschauend mutige Entscheidungen treffen. Deshalb ist es wichtig, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit voranschreitet und Kommunen in Richtung Nachhaltigkeit beim Transport berät.

Das alles klingt immer ein bisschen nach High Tech. Sind solche modernen Verkehrsmittel auch für die armen Länder Afrikas geeignet?

Auf jeden Fall. Solarbetriebene Seilbahnen zum Beispiel sind extrem robust. Die eignen sich auch für Afrika. Aber Seilbahnen reichen nicht. Wir brauchen alles, auch Busse, Bahnen und Fahrradwege. Welches Verkehrsmittel sich anbietet, hängt von den jeweiligen Umständen ab. Wichtig ist, dass sie nachhaltig und integriert sind. Das gilt auch für Afrika, wo die Städte rasch wachsen und der Bedarf deswegen besonders groß ist.

Das heißt, Deutschland fördert alle Technologien, solange sie nachhaltig sind?

Genau. Wir sind für alles offen, Hauptsache nachhaltig. Wir sollten als Technologieland vorneweg gehen und innovative Lösungen fördern, die energieautark sind und digital unterstützt werden. Mit energieautark meine ich Systeme, die sowohl unabhängig von fossilen Kraftstoffen sind - also erneuerbar - als auch unabhängig von herkömmlichen Energienetzen funktionieren. Wir können viel mehr als das, was wir im Moment auf die Schiene setzen. Ich sehe hier eine ganz große Chance – für die Entwicklungszusammenarbeit und für den Technologiestandort Deutschland. Wir können uns mit intelligent betriebenen Fahrzeugen als Bundesregierung und als Land einen guten Ruf erwerben.

Wie lange soll TUMI laufen und in welcher Größenordnung?

Die deutsche Entwicklungsbank KfW wird bereits im laufenden Haushaltsjahr zirka 1 Mrd. EUR für Investitionen im Rahmen von TUMI zur Verfügung stellen. Wir hoffen, dass sich das verstetigt und weiter steigt. Der Bedarf dafür ist auf jeden Fall da.

Was erwartet die Bundesregierung von der KfW beim Thema Mobilität?

Wir erwarten, dass die KfW noch stärker als bisher innovative Verkehrs-Konzepte finanziert. Das heißt konkret: energieautarke Systeme finden und Partner dazu ermuntern, solche Systeme einsetzen. Außerdem sehe ich dringenden Beratungsbedarf bei den Kommunen. Auch hier könnte die KfW aktiver werden, fallweise zusammen mit der GIZ. In den Kommunen werden die wichtigen Entscheidungen getroffen, dort müssen wir ansetzen.

Wie wichtig ist das Thema Verkehr im BMZ?

Auch bei uns läuft das erst so richtig an. Die Bedeutung ist im BMZ erkannt, der Handlungsbedarf akzeptiert, im Konkreten muss noch mehr geschehen. Aber wir sind dabei; das beweist TUMI.

Das Interview führte Friederike Bauer.