Meldung vom 31.05.2017 / KfW Entwicklungsbank

Mit Bus, U-Bahn und Wassertaxi durchs indische Kochi

Elias George ist Geschäftsführer von Kochi Metro Rail Limited. Die Stadt Kochi im Südwesten Indiens durchlebt derzeit einen tiefgreifenden Wandel: Sie führt ein integriertes öffentliches Nahverkehrssystem ein, das aus einer neuen U-Bahn, Fähren und Bussen besteht und einen einheitlichen Fahrplan sowie eine gemeinsame Leitstelle erhalten soll. Im Interview spricht Elias George über die Schwierigkeiten, die dieser Wandel mit sich bringt, und die Rolle, die der KfW dabei zukommt.

Kochi arbeitet an der Einführung eines integrierten öffentlichen Nahverkehrssystems. Was gab den Ausschlag für eine solch grundlegende Veränderung?

Ein besonders wichtiger Aspekt war der Verkehr, der in Kochi einfach immer stärker zunahm: Über viele Jahre hinweg erhöhte sich die Zahl der Fahrzeuge um jährlich ca. 12 Prozent. Uns war klar, dass uns bei einer Fortsetzung dieses Trends schon in naher Zukunft ein vollständiger Verkehrskollaps drohen würde. Daher haben wir vor einigen Jahren beschlossen, eine etwa 30 Kilometer lange U-Bahn-Linie durch die Stadt zu bauen. Zugleich erkannten wir, dass dieses Projekt eine gute Gelegenheit zur vollständigen Umstrukturierung unseres öffentlichen Nahverkehrssystems bot.

Was bedeutet das konkret?

Derzeit kommen im Stadtverkehr vor allem Autos und Busse und in gewissem Rahmen Fähren zum Einsatz. Ein Viertel der Fläche von Kochi liegt auf dem Wasser, genauer gesagt auf verschiedenen im Meer verteilten Inseln und Halbinseln. Wir möchten nicht nur das öffentliche Nahverkehrsangebot erweitern, sondern auch einen einheitlichen Fahrplan, eine gemeinsame Leitstelle und ein einheitliches Fahrkartensystem für U-Bahn, Busse und Fähren einrichten.

Welche Rolle spielen dabei digitale Lösungen?

Sie sind sehr wichtig. Wir möchten mithilfe der gesamten verfügbaren Technologie die verschiedenen Verkehrsmittel steuern und miteinander vernetzen. Das ist ein zentraler Bestandteil unserer Strategie. Die Fahrgäste sollen letztlich ganz einfach auf Ihrem Smartphone angezeigt bekommen, wann der nächste Bus bzw. die nächste U-Bahn oder Fähre eintrifft. Die Kunden sollen die Möglichkeit haben, schnell und reibungslos zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln zu wechseln. Dies ist unser Ziel und wir hoffen, es in einigen Jahren auch verwirklichen zu können.

Wird es schwierig, diesen Wandel zu gestalten?

Alles befindet sich derzeit noch im Aufbau. Die Umstellung wurde offen gestanden noch nicht vollzogen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Wenn in eineinhalb bis zwei Jahren die U-Bahn-Linie vollständig ihren Betrieb aufgenommen hat und auch die neuen Fähren zur Verfügung stehen, hoffen wir, dass wir die Leute zum Umdenken bewegen können, sie auf das Auto verzichten und stattdessen auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. Optimistisch stimmt mich dabei, dass die Menschen in Kochi moderner Technologie gegenüber sehr aufgeschlossen sind. Wir hoffen daher, dass sie positiv auf das neue Verkehrskonzept reagieren. Die Bewohner der Stadt merken in ihrem Alltag, dass der derzeitige Verkehr an seine Grenzen stößt bzw. sich sogar dem Kollaps nähert.

Wie sieht es mit autonom fahrenden PKWs aus? Werden sie ebenfalls Bestandteil Ihres Verkehrskonzepts sein?

Wir beobachten die weitere Entwicklungen in aller Welt – unter anderem in Ländern wie den USA und Deutschland – und reagieren entsprechend darauf. Ich denke, dass Technologie, Verkehr und Energieversorgung miteinander verschmelzen. Außerdem wird es ein Sharing-System geben. Kochi ist offen für diese Möglichkeiten, aber zunächst einmal müssen wir die Entwicklung abwarten. Der indische Verkehrsminister hat erst kürzlich äußerst ehrgeizige Pläne für E-Mobilität in Indien vorgestellt. Wir untersuchen derzeit sehr genau, wie wir diese Entwicklungen in Kochi für unsere Zwecke nutzen können.

Gehen Sie davon aus, dass die Zahl der Autos in Kochi zurückgehen wird, oder wird es eher eine Entwicklung hin zu umweltfreundlicheren Fahrzeugen geben?

Bei den Autos beobachten wir zwei wichtige Trends, nämlich zum einen den Zuwachs bei Elektro- und Erdgasantrieben und zum anderen das Konzept des Carsharing. Daher gehe ich davon aus, dass die Zahl der Autos letztlich zurückgehen wird.

Welche Rolle spielt die KfW dabei?

Das Engagement der KfW in Kochi begann, nachdem wir erkannt hatten, dass der Bau einer U-Bahn an Land nicht ausreicht, da Kochi, wie bereits gesagt, am Meer gelegen ist. Dennoch nahm die Zahl der Fähren in den letzten Jahren ab. Es war also klar, dass sich dringend etwas ändern musste. Wir wandten uns daher an die KfW, die uns nun bei der Beschaffung von 70 bis 80 neuen Fähren unterstützt. Wir sind mit der schnellen und effizienten Zusammenarbeit sehr zufrieden. Bisher gestaltete sich die Partnerschaft mit der KfW sehr konstruktiv.

Wer wird am meisten vom neuen System profitieren?

Zunächst einmal natürlich die ganze Stadt, vor allem aber der ärmere Teil der Bevölkerung. Dies gilt auch für die Fähren, da sie einige der weiter entfernten Stadtteile, in denen tendenziell weniger wohlhabende Bevölkerungsschichten leben, mit der Innenstadt verbinden. Die Leute können so einfacher in die Innenstadt gelangen, wo sie weitaus leichter einen Arbeitsplatz finden.

War es schwierig, die erforderliche Finanzierung zu erhalten?

Sobald wir uns darauf geeinigt hatten, welches Verkehrssystem entstehen sollte, stellte die Geldbeschaffung kein größeres Problem mehr dar. Die Umstellung des Systems sowie die entsprechende Planung und Umsetzung sind weitaus größere Herausforderungen. Beim letztgenannten Punkt sind zum Beispiel schwierige Fragen zum Landbesitz zu klären.

Ist Kochi ein Modell für Indien?

Noch wäre es verfrüht, Kochi als Erfolgsmodell zu bezeichnen, aber im Vergleich zu anderen Regionen Indiens haben wir bereits viel erreicht. Meiner Meinung nach wird Kochi die erste Stadt mit einem funktionierenden öffentlichen Nahverkehr sein, der allen Bewohnern zur Verfügung steht.

Das Interview führte Friederike Bauer.

Elias George, Geschäftsführer von Kochi Metro Rail Limited.