Meldung vom 18.05.2017 / KfW Entwicklungsbank

"Good Governance: Wandel ist möglich"

David Bulman stellte den Weltentwicklungsbericht 2017 in der KfW vor

Um gute Regierungsführung geht es im jüngsten Entwicklungsbericht der Weltbank, den Autor David Bulman Mitte Mai beim Entwicklungsforum der KfW in Frankfurt vorstellte. Wie kann Politik effektiver werden? Welche Instrumente besitzt die Entwicklungszusammenarbeit, um eine gute Regierungsführung zu fördern?

Der Titel des jüngsten Weltentwicklungsberichts - "Governance and the Law" - klingt zunächst nach einem alten Hut in der Entwicklungspolitik. Gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit sind seit Jahrzehnten als zentrale Einflussfaktoren von Entwicklung bekannt. In dem Bericht geht es aber nicht primär um die Frage, wie Gute Regierungsführung konkret aussieht. Vielmehr wird die viel wichtigere Frage aufgeworfen, wie die als richtig erkannten Politikmaßnahmen im Governance-System des Partnerlandes verarbeitet, modifiziert und dann in praktische Politik umgesetzt werden. Die Weltbank legt hier ein sehr breites Verständnis von Governance zu Grunde, das gleichermaßen staatliche und nicht-staatliche Akteure wie Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft oder religiöse Vereinigungen und Institutionen sowie formale Gesetze genauso wie ungeschriebene informelle Regeln beinhaltet. Selbst Korruption sei in diesem Sinne ein "inhärentes Element von Regierungsführung".

Die Weltbank ging der Frage nach, warum bestimmte Politikmaßnahmen von den Regierungen nicht oder nur halbherzig umgesetzt werden, obwohl sie aus Expertensicht erforderlich, zielführend und effizient sind, wie etwa die Korruptionsbekämpfung. Warum werden andererseits bestimmte kostenträchtige Politikmaßnahmen nicht beendet, selbst wenn sie erwiesenermaßen unwirksam und manchmal sogar entwicklungshemmend sind, etwa Benzinpreissubventionen?

Ungleiche Machtverteilung

Um das Verhalten führender Eliten zu erklären, hat die Weltbank die Spieltheorie zu Rate gezogen. Das Kernproblem liegt nach Einschätzung der Weltbank häufig in einer asymmetrischen Machtverteilung zwischen Individuen und Gruppen, die es Einzelnen ermöglicht, Politikmaßnahmen zu ihrem persönlichen Vorteil zu gestalten.

"Wandel ist möglich", betonte Bulman jedoch. Ansatzpunkte sind Anreizmechanismen für die einzelnen Akteure, öffentlicher Druck auch seitens der internationalen Partner und die Schaffung von Möglichkeiten, Mängel auf friedliche Weise öffentlich anzusprechen, etwa in der Presse, durch politische Partizipation oder Bürgerinitiativen.

Selbst Eliten, die von einer aktuellen Situation profitierten, würden sich für Veränderungen einsetzen, etwa um sozialem Druck zu begegnen oder um sich gegen einen Machtverlust in der Zukunft abzusichern. Internationale Akteure können durch die Etablierung von Normen oder die Vermittlung von Werten im Politikdialog durchaus Einfluss auf das Denken und die Entscheidungsfindung in Partnerländern nehmen, bekräftigte Bulman. Als konkretes Beispiel nannte er die International Commission against Impunity in Guatemala, die den Menschen das Vertrauen gegeben habe, dass auch hochrangige Täter zur Rechenschaft gezogen würden. Dies habe zur politischen Stabilität des Landes beigetragen.

David Bulman, Ökonom in der Forschungsabteilung der Weltbank
David Bulman, Ökonom in der Forschungsabteilung der Weltbank, lehrt auch an der School of Advanced International Studies (SAIS) der Johns Hopkins University.

Neue Dimension von Entwicklungspolitik

Niels Kemper, Sektorökonom der KfW und zuständig für das Thema Governance, betonte in seinem Koreferat, dass die Weltbank mit dem aktuellen Bericht die Tür weit in eine neue Dimension von Entwicklungspolitik aufstoße: Nicht die Botschaft, dass Gute Regierungsführung "per se" wichtig ist, sondern die Erkenntnis, dass sie in einem viel breiteren Sinne als bisher in der Entwicklungspolitik berücksichtigt werden könne und müsse, sei der inhaltliche Mehrwert des Berichtes.

Kemper bedauerte allerdings, dass die Weltbank im Bericht zu keinen klaren Handlungsempfehlungen komme, und dass es leider noch keine etablierten Standardanalysetools für diese Governanceprozesse im von der Weltbank postulierten breiteren Sinne gebe. Um diese zu entwickeln, müssten Entwicklungspolitiker, Entwicklungspraktiker und Entwicklungsforscher eng zusammenarbeiten.

In der anschließenden Diskussion wurde gefragt, ob die Weltbank politischer geworden sei. Rate diese nun zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen? Bulman bestätigte dies, sagte jedoch auch, dass die Ergebnisse der wissenschaftlichen Erhebungen der Weltbank noch stärker in deren operativen Einheiten aufgenommen werden müssten. Die Weltbank ermuntere dazu, die politischen Implikationen der Entwicklungszusammenarbeit stärker mitzudenken. Außerdem wurde angesprochen, dass die Abhängigkeit der Geber- und Empfängerländer eine gegenseitige sei. In vielen Fällen könne die Entwicklungszusammenarbeit noch stärker auf Reformen drängen, insbesondere dann, wenn ein Großteil der Staatsausgaben von den Gebern finanziert werde.

KfW-Teamleiter und Moderator Joachim Heidebrecht fasste zusammen, dass sich die internationalen Entwicklungsakteure in der Vergangenheit sehr stark auf die Entwicklung und Förderung technischer Lösungen innerhalb des gegebenen Governance-Rahmens eingelassen hätten. Der Weltentwicklungsbericht 2017 sei ein Appell, sich stärker mit der Frage zu beschäftigen, wer die entscheidenden Weichen stelle und wie man diese Akteure dazu bekomme, die Weichen richtig zu stellen. Hier mangele es oft noch an Erfahrung und Instrumenten, um diese Prozesse richtig zu verstehen, um sie anschließend bei der Projektkonzeption angemessen zu berücksichtigen, und möglichst auch über eigene Vorhaben zu beeinflussen. Hier tue sich ein breites Feld für die Weiterentwicklung der internationalen Entwicklungszusammenarbeit auf.

Joachim Heidebrecht moderierte das Fachgespräch zwischen David Bulman und Niels Kemper.
Joachim Heidebrecht (rechts) moderierte das Fachgespräch zwischen David Bulman (links) und Niels Kemper.