Meldung vom 08.09.2016 / KfW Entwicklungsbank

Minister kündigt neue Initiative für Mobilität an

Einzelheiten zur Initiative stellt Deutschland beim Habitat-Gipfel in Quito vor

Bei einem Fachgespräch über nachhaltige Stadtkonzepte in der Berliner KfW-Niederlassung hat Bundesminister Dr. Gerd Müller eine neue "Initiative für transformative urbane Mobilität" angekündigt. "TUMI" soll im Oktober bei der Weltkonferenz für Siedlungswesen im ecuadorianischen Quito vorgestellt werden und der Tatsache Rechnung tragen, dass viele Städte rund um den Globus schon heute kurz vor dem Verkehrskollaps stehen. Dabei ist der Höhepunkt des urbanen Wachstums noch nicht erreicht: Bis zur Mitte des Jahrhunderts werden schätzungsweise zwei Drittel aller Menschen in Städten leben, heute ist es in etwa die Hälfte. Wie trotz ihrer gigantischen Ausmaße Städte so "smart" organisiert werden könnten, dass sie nicht im Chaos versinken, sondern weiterhin lebenswert bleiben, darum drehte sich das Fachgespräch Anfang September in Berlin.

Jede Woche ziehen 1,4 Millionen Menschen in die Städte – "das ist alle zwei Wochen ein Berlin", rechnete Minister Müller in seiner Eröffnungsrede vor. Parallel dazu wird sich der Autoverkehr in den Städten bis 2050 verdreifachen. "Deshalb müssen wir umsteuern." Das jetzige Muster einfach fortzusetzen, funktioniere nicht. "Wir stoßen an Mobilitätsgrenzen." Müller forderte deshalb eine weltweite Verkehrswende mit "neuen Antworten, neuen Konzepten und vielen Innovationen". Die Mobilitätsinitiative TUMI versteht die Bundesregierung als Teil dieser Verkehrswende. Deren Ziel ist es, in Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellenländern Lösungen für den städtischen Personenverkehr zu schaffen. Dazu zählen der Neu- und Ausbau von S-Bahnen, Bus- oder Verkehrsleitsystemen.

Wie viel Innovationen bewirken können, machte KfW-Vorstandsmitglied Dr. Norbert Kloppenburg in seiner Begrüßungsrede an einem illustrativen Beispiel aus der Geschichte deutlich: Zum Ende des vorletzten Jahrhunderts warnten Statistiker, London werde schon in einigen Jahrzehnten im Pferdemist versinken. Durch den Siegeszug des Fahrrads, die Erfindung des Automobils und der Straßenbahn kam es dann aber anders. Deshalb sollten die heutigen Herausforderungen, so Kloppenburg, nicht Anlass zu Fatalismus geben, sondern Ansporn für neue, unkonventionelle Lösungen sein. Die KfW wolle sich an solchen innovativen Lösungen beteiligen und wende schon heute etwa die Hälfte ihrer Zusagen für Projekte und Programme in Städten auf.

Bundesminister Dr. Gerd Müller forderte eine weltweite Verkehrswende mit „neuen Antworten, neuen Konzepten und vielen Innovationen“.

Die anschließende Podiumsdiskussion mit vier Stadtplanungs- und Verkehrsexperten drehte sich genau um solche Lösungen für die „smart cities“ der Zukunft. Dabei zeigten sich die Experten insgesamt zuversichtlicher, als die derzeitige Lage der Städte vermuten lässt. So sagte Dr. Tom Kirschbaum, Gründer und Geschäftsführer der Door2Door GmbH, dessen Firma Konzepte für internet-basierten nachhaltigen Verkehr etwa in Form von Apps entwickelt, er glaube, das Leben in Städten werde in 15 bis 20 Jahren „extrem positiv“ sein.

Prof. Dr. Siegfried Russwurm, Technologievorstand der Siemens AG, hielt den Verbrennungsmotor gerade in Städten für nicht mehr zukunftsweisend. "Der Verkehr wird dann nur noch über elektrische Antriebe gehen." In Kombination mit neuen Energieeffizienz-Programmen für Gebäude lasse sich der Energieverbrauch pro Kopf gegenüber heute um ein Drittel vermindern.

Der Architekt Nicolas Pomränke vom Büro von Gerkan, Marg und Partner sah große Chancen vor allem durch weniger ruhenden Verkehr. "Wenn wir keine oder kaum noch parkende Autos in den Städten haben, eröffnet das ganz neue Möglichkeiten" – für noch mehr nachhaltige Mobilität wie Fahrradwege oder mehr Grünflächen und insgesamt mehr öffentlichen Raum. Dazu stellte er neu errichtete Satelliten-Städte in China vor, die den Verkehr effizient gestalten, Räume klug nutzen und so im Zentrum zum Beispiel Platz für einen künstlichen See haben.

Wie so eine Stadt aussehen kann, die den Autoverkehr konsequent zurückfahren möchte, erläuterte Elias George am Beispiel der indischen Stadt Kochi. Dort haben sich die Verantwortlichen vorgenommen, in den nächsten Jahren Zug um Zug auf Metro, Busse und Fahrradverkehr umzusteigen und dabei "intelligente IT-Systeme" zu nutzen. Ihr größtes Problem ist, wie der Direktor der Kochi Metro Gesellschaft berichtete, die wachsende Mittel- und Oberklasse in Züge und Busse zu locken. "Für sie ist das Auto immer noch ein Statussymbol."

Generell müsse es überall auf der Welt "cool" werden, nicht mehr selbst hinter dem Steuer zu sitzen, sondern per Knopfdruck oder Anruf einen umweltfreundlichen Wagen oder Bus zu bestellen – in wenigen Jahren dann selbstfahrende. Dafür brauche es neben den eigentlichen technischen Neuerungen, guter Planung und Umsetzung gerade auch bei Infrastrukturvorhaben, um neue Slums zu verhindern, zudem einen tiefgreifenden Kulturwandel. "Wir müssen mutiger werden, wenn es um Innovationen geht - nicht zuletzt in Deutschland", sagten die Teilnehmer unisono, "dann wird das Leben in der Stadt trotz aller Herausforderungen weiterhin attraktiv bleiben".

Die Podiumsdiskussion mit vier Stadtplanungs- und Verkehrsexperten drehte sich genau um solche Lösungen für die "smart cities" der Zukunft.