Meldung vom 06.06.2016 / KfW Entwicklungsbank

"Wir brauchen eine weltweite Verkehrswende"

Minister Gerd Müller plädiert beim Deutschen Habitat Forum in Berlin für nachhaltige Mobilitätskonzepte

Bundesminister Gerd Müller hat sich beim Deutschen Habitat Forum in Berlin für eine globale Verkehrswende ausgesprochen. Der Individualverkehr sei nicht tauglich für die Mobilitätsbedürfnisse aller Menschen, sondern nur für einen Teil, sagte Müller bei der Eröffnung der internationalen Konferenz zur Stadtentwicklung im Berliner Messegelände. "Aber wir brauchen Lösungen für alle." Deshalb sei es wichtig, in den wachsenden Städten dieser Welt auf nachhaltige Verkehrsmittel zu setzen und heute entsprechend die Weichen dafür zu stellen. Deutschland werde sich, so der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, stärker noch als bisher auf diesem Gebiet engagieren. Für den Weltsiedlungsgipfel Habitat III, der im Oktober im ecuadorianischen Quito stattfindet und auf den die Konferenz in Berlin inhaltlich vorbereitete, kündigte Müller über eine Presseerklärung eine neue Mobilitäts-Initiative des BMZ an. Die Initiative soll Anstöße für eine solche globale Verkehrswende geben. Im Mittelpunkt der Initiative wird eine sozial verträgliche, innovative und klimafreundliche Verkehrsentwicklung in ärmeren Ländern stehen.

In Berlin trafen sich am 1. und 2. Juni rund 1.000 Experten aus aller Welt, um darüber zu diskutieren, wie die Urbanisierung so gestaltet werden kann, dass Städte lebenswert, sicher und nachhaltig sind. Nach Angaben der Vereinten Nationen lassen sich die internationalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) nur mit den Städten erreichen, weil sie schon heute für rund 70 Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich sind und einen großen Teil der globalen Rohstoffe verbrauchen.

Stadtbevölkerung verdoppelt sich in kurzer Zeit

Bis 2050 wird die Zahl der Stadtbewohner auf rund sieben Milliarden steigen, von heute etwa 3,5 Milliarden. Sie wird sich also in wenigen Jahrzehnten noch einmal verdoppeln, wie der Chef von UN Habitat, Joan Clos, dem Publikum vorrechnete. Der Großteil davon wird in den Entwicklungs- und Schwellenländern stattfinden, vor allem in Asien und Afrika, und sich – wenn nicht ordentlich gesteuert – vor allem "spontan" als Wildwuchs vollziehen. „Deshalb muss Urbanisierung zu einem Thema der Weltpolitik werden“, forderte Dirk Messner vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). "Es ist immer noch zu sehr ein Thema der Spezialisten." "Wir brauchen einen Imperativ der Städte", sagte auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, "denn sie sind Teil der Lösung".

Wie bei der Eröffnungsveranstaltung waren sich die Experten anschließend in den verschiedenen Sitzungen und Workshops einig, dass Stadtentwicklung international mehr Beachtung finden müsse, damit Städte besser in der Lage sind, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Damit sie die Chancen, die sich aus der Dynamik des Wachstums ergeben, auch nutzen können und nicht zu unbewohnbaren und unregierbaren Molochen verkommen. Damit sie neben pulsierenden wirtschaftlichen Zentren auch Stätten der Kreativität – "soft urbanism" – und des gesellschaftlichen Fortschritts bleiben oder werden.

Blick über die Skyline einer Großstadt
Nach Angaben der Vereinten Nationen lassen sich die internationalen Nachhaltigkeitsziele nur mit den Städten erreichen, weil sie schon heute für rund 70 Prozent aller Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich sind.
Abteilungsleiterin Christine Heimburger am Rednerpult
Vermehrte Finanzmittel für Städte kündigte KfW-Abteilungsleiterin Christine Heimburger beim Deutschen Habitat Forum in Berlin an.

Große Lücke zwischen Aufgaben und Budgets

Dafür aber brauchen Städte neben integrierter Stadtplanung und einer guten Verwaltung vor allem die nötigen finanziellen Mittel. Die KfW Entwicklungsbank veranstaltete beim Habitat Forum deshalb einen Workshop zur Finanzierung all der Aufgaben, die Städte in den nächsten Jahren zu bewältigen haben. Der Bedarf ist riesig; nach UN-Schätzungen sind dafür insgesamt rund vier Billionen US-Dollar pro Jahr erforderlich. Die meisten Städte aber sind chronisch unterfinanziert. In Afrika zum Beispiel erreichen sie nur sieben Prozent aller Staatseinnahmen, aber auch in fast allen anderen Regionen der Welt klafft eine große Lücke zwischen Anspruch und Etats in den Kommunen.

Vor diesem Hintergrund vertrat Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen die Auffassung, dass Städte vor allem ihre Steuern systematischer erheben und eintreiben müssten, um ihre Einnahmesituation zu verbessern und Steuerflüchtlingen das Handwerk zu legen. Andere Experten forderten, Städte müssten besseren Zugang zu internationalen Geldern und zum Kreditmarkt erhalten. Beides ist für die überwiegende Zahl der Kommunen in Entwicklungsländern derzeit schwierig.

Mittelstädte noch stärker beachten

Die KfW, die bereits heute mehr als die Hälfte ihrer Mittel für Projekte in Städten zusagt, will hier künftig noch zulegen, wie KfW-Abteilungsleiterin Christine Heimburger in Berlin ankündigte. Künftig werde der Fokus dabei noch stärker auf Mittelstädten (zwischen 200.000 und drei Millionen Einwohner) liegen, sagte Heimburger. Denn, auch darüber herrschte in Berlin Einvernehmen, Mittelstädte können wichtige Puffer zwischen der Landbevölkerung und den Megastädten darstellen. Wenn sie als erste Anlaufstelle das bieten, was Menschen auf ihrem Weg in die urbanen Zentren suchen, werden diese bleiben. Wenn nicht, wandern sie weiter in die nächst größeren Metropolen – und machen nachhaltiges Management dort immer schwieriger.

Diese und andere zentrale Botschaften aus insgesamt 13 Workshops des Habitat Forums wurden am Ende der Konferenz in den sogenannten "Berliner Empfehlungen" gebündelt, die in die Verhandlungen für Habitat III einfließen. In Quito soll im Oktober eine neue "Urbane Agenda" verabschiedet werden, die Städten unter anderem besseren Zugang zu internationalen Finanzmitteln in Aussicht stellen soll.