Meldung vom 23.02.2016 / KfW Entwicklungsbank
„Die Welt ist viel besser, als die Menschen glauben“
Erik Solheim, Vorsitzender des Development Assistance Committee
Herr Solheim, zur Zeit gibt es weltweit mehr als 60 Millionen Flüchtlinge. Verzweifelte Menschen fliehen aus Bürgerkriegsgebieten, Selbstmordattentate drohen fast täglich, sogar in Europa. Und vergangenes Jahr wurden mitten in Paris über hundert Menschen von Terroristen mit Kalaschnikows getötet. Dennoch sagen Sie, die Welt sei viel besser, als man glaube. Können Sie uns das erklären?
Die Zahlen sprechen für sich. Heute sind die Menschen im Durchschnitt viel größer, besser ernährt, besser gebildet und gesünder als je zuvor in der Geschichte. Die Lebenserwartung ist stark gestiegen – wir werden älter. Was Sie sagen, ist schon richtig – aber die Chancen, heute durch Gewalt ums Leben zu kommen, sind viel geringer als früher.
Weitaus weniger Flüchtlinge sterben durch Krankheiten oder Mangelernährung, weil es heute viel besser gelingt, geeignete Unterkünfte und Bildungsangebote für sie bereitzustellen. Aber natürlich bleibt es eine Herausforderung, es gibt noch viel zu tun.
Viele sagen, die Welt werde unsicherer. Ist diese Ansicht falsch?
Ja, das ist vollkommen falsch. Natürlich ist es für jeden Menschen eine Tragödie, von Krieg, Gewalt oder Terroranschlägen betroffen zu sein. Es kommen aber immer noch viel mehr Menschen im Straßenverkehr ums Leben als durch Terroranschläge – und auch die Zahl der Verkehrstoten in Europa geht zum Glück zurück.
Kommen wir zu unserem Kerngeschäft, der Entwicklungszusammenarbeit. Drei größere Konferenzen haben 2015 stattgefunden, eine zur Entwicklungsfinanzierung, eine zu den nachhaltigen Entwicklungszielen und dann der Klimagipfel in Paris. War 2015 in Ihren Augen ein erfolgreiches Jahr für die Entwicklungszusammenarbeit?
Es war ein sehr erfolgreiches Jahr für die Entwicklungszusammenarbeit. Weltweit überleben heute viel mehr Kinder als früher, sieben Millionen mehr als 1990. Möglich wurde das durch eine verbesserte gesundheitliche Aufklärung und die Eindämmung von Krankheiten wie Malaria und Polio.
Das Abkommen, das bei der Weltklimakonferenz in Paris unterzeichnet wurde, gilt als historisch. Wie beurteilen Sie das?
Es ist sicher ein großer Schritt in die richtige Richtung. Und einer der Gründe, warum Paris ein Erfolg war, ist das größere Engagement der Wirtschaft. Klimaschutz eröffnet auch neue Perspektiven für Unternehmen, die Solaranlagen oder Ausrüstungen zur Verbesserung der Energieeffizienz verkaufen. Das war eine große Veränderung. Die andere große Veränderung betraf das Verhältnis zwischen China und den USA, die enger zusammenarbeiteten als früher. So kam im Vergleich zu früheren Vereinbarungen ein deutlich besseres Abkommen zustande. Aber jetzt müssen die Staaten natürlich auch liefern.
Im September 2015 hat die Staatengemeinschaft die “Sustainable Development Goals” (SDGs) angenommen, die auch Nachhaltigkeit und Umweltaspekte einschließen. Die SDGs treten nun an die Stelle der MDGs (Millennium Development Goals). Halten Sie das für einen Schritt in die richtige Richtung?
Ich finde, auch das ist ein großer Schritt vorwärts. Die MDGs betrafen im Grunde die armen Länder. Die neuen Ziele beinhalten nun die Entwicklung und die Umwelt, das sind also keine separaten Handlungsbereiche mehr. Wenn man z.B. Solarenergie in Afrika fördert, erreicht man etwas für die Entwicklung und für die Umwelt. Und die Ziele sind universell – sie gelten weltweit. Das zeigt, dass wir alle in einem Boot sitzen.
Wird sich dadurch auch die Rolle des DAC verändern?
Ich glaube, sie wird sich enorm verändern. Im Moment gibt es nur wenige Länder, die Hilfe leisten, während andere Empfänger sind. Und es gibt eine ganze Reihe von Ländern wie China, Indonesien, Brasilien, Chile und die Türkei, die Empfänger und Geber zugleich sind. Das wird sich in Zukunft sehr stark verändern.
Welche Rolle werden Entwicklungsbanken wie die KfW dabei spielen?
Hier sehe ich vor allem eine wachsende Bedeutung bei der Erschließung privatwirtschaftlicher Instrumente. Niemand hat mehr Bedenken gegen private Investitionen – sie sind der Schlüssel zur Entwicklung. Die KfW sollte sich bemühen, noch mehr zur Mobilisierung privater Mittel für die Klima- und Entwicklungsfinanzierung beizutragen. Ein anderer Punkt betrifft die intensivere Zusammenarbeit mit ärmeren Ländern. Die ärmsten Länder haben den größten Finanzierungsbedarf, und tendenziell sind die Finanzströme in die am wenigsten entwickelten Länder immer weiter zurückgegangen. Es steht außer Frage, dass ihre Bedürfnisse allein durch Zuschüsse nicht mehr abgedeckt werden können. Es gibt Möglichkeiten für rentable Investitionen, und eine Institution wie die KfW sollte sich an vorderster Stelle hierfür einsetzen.
Das Gespräch führte Michael Ruffert.

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