Meldung vom 23.11.2015 / KfW Entwicklungsbank

"Deutschland ist internationaler Vorreiter"

Im Gespräch - Dr. Jochen Harnisch über Klimaschutz

Eine Urkunde des Nobel-Komitees schmückt das Büro von Jochen Harnisch, Leiter des Kompetenzcenters „Umwelt und Klima“ der KfW Entwicklungsbank sowie deren Nachhaltigkeitsbeauftragter. Als koordinierender Leitautor hat er seit 2000 dazu beigetragen, dass der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change/IPCC) 2007 den Friedensnobelpreis erhielt. Mit seinen 15 Mitarbeitern unterstützt der promovierte Physiker das Engagement der KfW Entwicklungsbank für Klimaschutz und Klimaanpassung.

Haben wir die Veränderungen durch den Klimawandel genügend verstanden, um die richtigen Maßnahmen zu ergreifen?

Wir wissen, dass der Klimawandel stattfindet, doch der genaue Verlauf in der Zukunft ist noch unklar. Das heißt aber nicht, dass wir einfach abwarten sollten. Bereits jetzt bestehen massive Defizite bei Anpassungen an das heutige Klima, diese werden sich verstärken. Denn Anpassung an den Klimawandel heißt Anpassung an bestehende Variabilität des Klimas und an den erwarteten Wandel. Je nach Region sind die Prognosen für den Klimawandel unterschiedlich sicher. Für etwa die Hälfte der Landflächen ist zumindest die Richtung klar, etwa bei Niederschlagsmengen oder der Häufigkeit von Dürren. Für die andere Hälfte nicht. Das liegt daran, dass dort weniger Daten vorliegen und die meteorologischen Abläufe in den Tropen oft komplexer als in unseren Breiten sind.

Die Vorhersagen sind also besonders für Regionen unsicher, in denen viele Entwicklungsländer liegen?

Ja, aber das Problem hört sich schlimmer an, als es ist. Es geht um eine Anpassung an das jetzige Klima und an den zukünftigen Klimawandel. In vielen Entwicklungsländern bestehen große Investitionsdefizite. Die Anpassung an den Klimawandel sollte nicht als separates Feld, sondern in enger Verzahnung von guter Entwicklung und guter Planung gesehen werden.

Dr. Jochen Harnisch
Das Solarkraftwerk Ouazarzate in Marokko.
Dr. Jochen Harnisch
Dr. Jochen Harnisch ist Leiter des Kompetenzcenters "Umwelt und Klima" sowie Nachhaltigkeitsbeauftragter der KfW Entwicklungsbank.

Die Anpassung an den Klimawandel kostet geschätzt jährlich eine Summe im dreistelligen Milliardenbereich. Wer kann das bezahlen?

Die Kosten sind schwer zu beziffern, aber sie werden hoch sein. Es ist unklar, was unter Anpassung an den Klimawandel fällt und was nicht. Einen Teil der Kosten werden die Industrieländer tragen, wie sie es gerade bei der Konferenz „Financing for Development“ in Addis Abeba wieder bekräftigt haben. Über Entwicklungszusammenarbeit kann aber nur ein Teil der notwendigen Investitionen finanziert werden. Wichtig sind gute Regierungsführung und Mobilisierung einheimischer Steuermittel sowie deren Verteilung zum Wohle des ganzen Volkes.

Die Industrieländer haben einen beachtlichen Lebensstandard erreicht, indem die natürlichen Ressourcen ausgebeutet wurden. Die Schwellenländer wollen genau diesen Weg beschreiten, doch der Klimaschutz erfordert eine begrenzte Nutzung natürlicher Ressourcen. Beschränkt der Klimaschutz den Weg aus der Armut?

Wir sollten die Entwicklungsländer dabei unterstützen, auf einen niedrig-emittierenden Entwicklungspfad einzuschwenken. Die wachsenden Wirtschaften der Entwicklungsländer benötigen viel Energie. Sie setzen häufig noch auf Kohle, Gas und große Wasserkraftanlagen oder etwa Kernenergie. Für die erforderlichen Transformationsprozesse zur Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad steht zwar viel, aber bei weitem nicht genug Geld zur Verfügung, um erneuerbare Energien zum universellen Standard zu machen.

Marokko hat mit Unterstützung der Bundesregierung und anderer Geber das solare Großkraftwerk in Ouazarzate gebaut. Wären dezentrale Anlagen nicht sinnvoller als Megaprojekte?

Der mustergültige Solarpark zeigt, welche Möglichkeiten Solarenergie in einem Entwicklungsland mit hoher Kompetenz und Ownership bei entsprechender Beteiligung internationaler Geber bietet. Dezentrale Lösungen können in Einzelfällen für abgelegene Krankenhäuser, Schulen und Dörfer sinnvoll sein. Gerade in Afrika ist die dezentrale Versorgung sicher ein wichtiger Weg, aber eher als Einstieg. Bei fortschreitender Entwicklung werden auch weiter zentrale Netze aufgebaut, die es gestatten, variablen Verbrauch und Erzeugung effizient zusammenzubringen. Wir sollten das eine machen, ohne das andere zu lassen.

Viele Ansätze der KfW Entwicklungsbank zum Klimaschutz fördern technologische Lösungen. Ist das ausreichend?

Wir werden für Emissionspfade, wie sie zur Erreichung des Zwei-Grad-Ziels erforderlich sind, um eine Änderung des Lebensstils nicht herum kommen, auch wenn es bisher oft nicht so gesagt wird. Der Einsatz von klimafreundlichen Technologien allein kann helfen, den schlimmsten Klimawandel zu verhindern – mehr nicht.

Ein Ingenieur in Ägypten kontrolliert ein Windrad.
Erneubare Energien - hier ein Windpark in Ägypten - spielen bei der Erreichung des Zwei-Grad-Ziels eine bedeutende Rolle.

Wie können Kompensationsleistungen für die Emissionsvermeidung wie das REDD-System (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation) zum Klimaschutz beitragen?

Es hat sich gezeigt, dass der Handel mit Klimaschutzzertifikaten nicht den gewünschten Effekt erreichte. Um Wald- und Klimaschutz zu verbinden, wurde REDD entwickelt. Die Idee ist, sich nicht auf einzelne schützenswerte Gebiete zu fokussieren, sondern für jedes Land maßgeschneiderte Rahmenbedingungen schaffen zu helfen, um die Entwaldung wirkungsvoll zu stoppen.

Die KfW ist eine von weltweit nur 20 Institutionen, die Programme und Projekte für den Green Climate Fund (GCF) entwickeln. Wie kommt es zu diesem Spitzenplatz?

Den haben wir uns hart erarbeitet, indem wir die richtige Mischung aus Innovation, Breitenwirkung und zuverlässiger Umsetzung gefunden haben. Unsere Partner in Entwicklungsländern wissen, dass wir sie nicht bevormunden und dass wir mit unserem Know-how und mit langem Atem an ihrer Seite stehen.

Welche Chancen bietet der Fonds?

Die Erstkapitalisierung ist bereits gesichert, denn die Zusagen der Industrieländer liegen vor und erste Beiträge wurden eingezahlt. Welche Projekte umgesetzt werden, wird bei der nächsten Board-Sitzung des GCF im November entschieden. Bisher ist noch unklar, über welche Instrumente der GCF verfügen wird. Werden es eher Darlehen oder eher Zuschüsse? Ob der GCF langfristig relevant wird, hängt auch vom politischen Momentum nach der internationalen Klimakonferenz COP 21 in Paris ab.

Deutschland hat eine ambitionierte Energiewende beschlossen. Ist das ein Vorbild für andere Länder?

Deutschland ist international Vorreiter. Kein Land geht so konsequent voran und stellt so viele Mittel für Klimaschutz und Anpassung in Entwicklungsländern bereit. Was ich mir wünsche: Als Hauptfinanzier sollten wir den Mut finden, mehr eigene Akzente zu setzen, anstatt nur auf internationale Prozesse zu schauen. Wir sollten pragmatisch und flexibel mit Partnerländern gemeinsam spezifische Ansätze entwickeln, die dort bei Entscheidungsträgern und Bevölkerung dauerhaft Akzeptanz finden.

Die Fragen stellte Charlotte Schmitz.

Live von der Weltklimakonferenz

Dr. Jochen Harnisch twittert aus Paris.