Meldung vom 15.10.2015 / KfW Entwicklungsbank
Hunger häufig eine Folge von Konflikten
Veranstaltung von Welthungerhilfe und KfW in Berlin
Im Kampf gegen Hunger hat die internationale Gemeinschaft mittlerweile große Fortschritte erzielt, doch wenn Hunger auftritt, sind meist bewaffnete Konflikte die Ursache. Ob in Syrien, Südsusan oder im Jemen, in Sierra Leone oder Afghanistan immer hängen Hunger und gewaltsame Auseinandersetzungen eng zusammen und meist lösen sie große Flüchtlingsströme aus. Wie sich diese Faktoren genau beeinflussen und welche Möglichkeiten der Einwirkung bestehen, darüber haben Experten am 12. Oktober bei einer gemeinsamen Veranstaltung der KfW Entwicklungsbank und der Welthungerhilfe in der Berliner KfW-Niederlassung diskutiert.
KfW-Abteilungsleiter Marc Engelhardt verwies in seiner Einführungsrede auf die 60 Millionen Menschen, die derzeit auf der Flucht sind, um Gewalt und Hunger zu entkommen, und auch bei uns in Deutschland Schutz suchen. "So lassen sich die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auch ganz direkt bei uns spüren", sagte Engelhardt. Zugleich lenkte er die Aufmerksamkeit auf die "stillen Krisen", die weniger im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit als etwa Syrien stehen, aber genauso mit Hunger und Not verbunden sind. Allein am Horn von Afrika und den angrenzenden Ländern gebe es zwei Millionen Flüchtlinge und 7 Millionen Binnenvertriebene. "Es sollte daher nicht vergessen werden, dass die Länder mit der weltweit größten Armut und der schlechtesten Ernährungssituation außerdem noch die Hauptlast der Flüchtlingsströme tragen."
"Wir haben davor gewarnt"
Auch die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, hob den engen Zusammenhang von Hunger und Konflikten hervor. "Sie sind die größten Hungertreiber", weil es schwierig sei, einer Hungersituation zu entkommen, solange Kämpfe und Krisen andauerten. Konflikte verhinderten Anbau und Vermarktung von Nahrungsmitteln. Dass Menschen in solch auswegloser Lage die Flucht ergriffen, sei nun auch in Europa als Problem angekommen. "Davor haben wir seit Jahren gewarnt", so Dieckmann. In Ländern wie Syrien oder Afghanistan sei deshalb in besonderem Maß die Politik jetzt gefragt. Nichtregierungsorganisationen wie ihre könnten die Probleme nicht lösen, sondern über humanitäre Hilfe nur die größte Not lindern. "Wir können den schlimmsten Hunger bis zum Jahr 2030 beseitigen, wie es die SDGs vorsehen. Das ist möglich. Aber es erfordert politische und finanzielle Anstrengungen, gerade weil Hunger und Konflikte so eng gekoppelt sind." Cyrill Ferrand von der Welternährungsorganisation (FAO) zeigte am Beispiel Syriens noch einmal, wie Kriege Nahrungsmittelunsicherheit hervorrufen können: Vor Ausbruch des Konflikts noch der "Foodbasket" der Region, sei die Weizenproduktion des Landes seither um fast die Hälfte gesunken. Inzwischen litten bereits neun Millionen Menschen in und um Syrien unter einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung.
Rückfälle wahrscheinlich
Zugleich fallen Länder, die bereits einen heftigen Konflikt hinter sich gebracht haben, auch mit größerer Wahrscheinlichkeit in einen solchen wieder zurück und können damit erneute Hungersnöte auslösen. Auf diesen Zusammenhang machte die Oxford-Wissenschaftlerin Anke Höffler aufmerksam, die über Konfliktursachen forscht. Sie zeigte anhand verschiedener Berechnungen zudem, dass "Armut nicht gleich Hunger ist". In Ländern wie Malawi oder Kirgistan zum Beispiel herrsche weniger Hunger als die Einkommen dort vermuten lassen. Der Armutsgrad eines Landes ist also nicht der entscheidende Faktor, wenn auch ein wichtiger, sondern es sind vor allem Aufruhr, Chaos und Gewalt, die Hungersnöte verursachen.
Diese Ansicht vertrat auch David Schwake, Leiter des Referates für Frühwarnung und Szenarienplanung im Auswärtigen Amt, als er Länder wie Ruanda oder Äthiopien anführte, deren Lage sich in den letzten zehn Jahren deutlich verbessert habe, gerade weil dort keine neuen Konflikte mehr aufflammten. Ganz anders im Südsudan, wo derzeit die Hälfte der Menschen von Nahrungsmittelhilfen abhängig sei und Hunger sogar als Waffe von den verfeindeten Parteien verwendet werde.
Der umgekehrte Weg ist weniger offensichtlich
Kann Hunger umgekehrt auch Konflikte hervorrufen? In diese Richtung ist der Zusammenhang nach Ansicht der Diskussionsteilnehmer weit weniger eindeutig: Hunger sei sicher ein beschleunigender Faktor, aber Konflikte hätten meist eine Vielzahl von Ursachen sozialer und wirtschaftlicher Art, von denen Nahrungsmittelunsicherheit nur eine sei. Auch HIV/Aids, starkes Bevölkerungswachstum, generelle Ungleichheit und ungenügende Regierungsführung beschleunigten und verstärkten Krisensituationen.
Um die Kette aus Konflikten und Hunger zu brechen, sollte sich die internationale Gemeinschaft selbst in prekärer Lage nicht auf Nothilfe beschränken, sondern zudem - soweit möglich - auch die Landwirtschaft fördern, lautete die übereinstimmende Meinung der Experten. "Selbst in Kriegszeiten können Menschen produktiv sein", sagte Cyril Ferrand, "aber dazu fehlen ihnen oftmals das Saatgut oder tierärztliche Dienste." Hier sollte Abhilfe, auch von außen, geschaffen werden.
Außerdem forderten die Teilnehmer neben einem möglichst schnellen Ende der unmittelbaren Kämpfe selbst auch mehr Unterstützung für "Post-Konflikt-Situationen". Wie sich Länder dann organisieren, ob sie den Regeln des "Good Governance" folgen und für Ausgleich zwischen ehemals verfeindeten Bevölkerungsgruppen sorgen, hat unmittelbaren Einfluss darauf, ob Hunger dauerhaft zurückgedrangt werden kann. Der diesjährige Welthungerindex, der einen leichten Rückgang der weltweit Hungernden auf 795 Millionen Menschen konstatierte, "gibt zwar ermutigende Ausblicke", fasste Marc Engelhardt die Ergebnisse zusammen, "er zeigt aber auch, dass es noch ein weiter Weg zu einer Welt ohne Hunger ist. Und nichts anderes sollte unser Ziel sein".

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