Meldung vom 26.03.2015 / KfW Entwicklungsbank

Flüchtlingen helfen, Fluchtursachen bekämpfen

KfW-Bereichsleiter Helmut Gauges über die Arbeit für Flüchtlinge

Millionen fliehen vor dem Bürgerkrieg in Syrien. In Westafrika vertreibt der Terror immer mehr Menschen. Und auch der Konflikt in Afghanistan zwingt weiterhin Männer, Frauen und Kinder zur Flucht in die Nachbarländer. 56 Millionen Flüchtlinge gibt es nach UN-Angaben derzeit weltweit. Die meisten seit dem Zweiten Weltkrieg. Die hohe Zahl von Flüchtlingen und Vertriebenen stellt auch Entwicklungsorganisationen vor neue Herausforderungen. Der KfW-Bereichsleiter Helmut Gauges, zuständig für den Nahen Osten und Afrika, beschreibt, wie sich die Entwicklungsbank dieser Aufgabe stellt.

Herr Gauges, immer mehr Menschen sind weltweit auf der Flucht, auch in den Partnerländern der KfW. Was kann die Entwicklungsbank für Flüchtlinge tun?

Helmut Gauges: Krisen und Flüchtlinge sind eigentlich kein neues Thema. Es gab sie schon immer. Aber heute sind die Medien sensibler und immer mehr Flüchtlinge kommen auch aus entfernten Regionen nach Europa. Deutschland gehört zu den wenigen europäischen Ländern, die bereit sind, syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Die KfW hat sich schon immer für Flüchtlinge engagiert und unser Engagement nimmt weiter zu. Derzeit fördern wir weltweit im Auftrag der Bundesregierung 40 Vorhaben zur Flüchtlingshilfe mit einer Gesamtsumme von 700 Mio. EUR. Und wir bringen unsere Expertise auch in die Sonderinitiative des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) "Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren" ein. Für die Initiative setzen wir acht Projekte mit einer Gesamtsumme von 135 Mio. EUR um.

In welchen Ländern ist die KfW vor allem aktiv?

Gauges: Der Schwerpunkt liegt im Nahen Osten. Durch den Krieg in Syrien sind Millionen von Menschen in die Nachbarländer Jordanien und Libanon geflohen. Dort setzen wir fast die Hälfte unserer Mittel ein. Aber auch am Horn von Afrika gibt es weiterhin Konflikte. Wir unterstützen Flüchtlinge dort in der Demokratischen Republik Kongo, dem Sudan, Kenia und in Äthiopien. Auch in Westafrika gibt es Menschen, die fliehen, auch vor dem zunehmenden Terror. Wir helfen dort vor allem in Kamerun und Liberia. In Asien haben wir in Pakistan ein großes Programm, um Flüchtlinge aus dem benachbarten Afghanistan zu unterstützen.

"Es geht vor allem um sichtbare Erfolge"

Die Menschen fliehen meist vor Konflikten und Krieg. Sie stehen oft vor dem Nichts, meist ist schnelle Hilfe notwendig. Was kann die KfW tun, die ihre Stärken eigentlich in der langfristigen klassischen Entwicklungszusammenarbeit hat?

Gauges: Bei akuten Krisen ist eine schnelle Soforthilfe wichtig, das ist richtig. Nahrungsmittel, Zeltunterkünfte, Trinkwasser und medizinische Hilfe bei Seuchengefahr werden schnell gebraucht. Es geht vor allem um sichtbare Erfolge, damit die Bevölkerung sieht, dass jemand da ist. Diese Aufgaben werden vor allem von Nichtregierungs- und UN-Organisationen übernommen, die dort wertvolle und herausragende Arbeit leisten. Wir arbeiten mit diesen Organisationen zusammen und unterstützen sie. Wenn die Hilfe längerfristig gebraucht wird, verschiebt sich der Fokus auf die staatliche Entwicklungszusammenarbeit. Die Menschen benötigen dauerhaft Unterkünfte und Gesundheitsstationen. Wir arbeiten dann weiter intensiv mit den NGOs zusammen, um den Übergang von der Not- zur Entwicklungshilfe zu gewährleisten.

In Ländern mit kriegerischen Auseinandersetzungen sind die staatlichen Strukturen aber oft schwach, Rebellen kontrollieren mitunter große Gebiete. Es fehlen die klassischen Ansprechpartner für die KfW. Wie kann die Entwicklungsbank dort arbeiten?

Gauges: Wenn die staatlichen Partner wegbrechen oder nicht vertrauenswürdig sind, arbeiten wir verstärkt mit NGOs zusammen. Sie sind für uns verlässliche Partner in Krisengebieten. Die NGOs schaffen den Übergang und ersetzen so lange die staatliche Struktur bis handlungsfähige und legitime staatliche Institutionen vorhanden sind. Diese gilt es dann zu stärken und auszubauen, damit die Menschen wieder Vertrauen in staatliche Strukturen fassen.

Risiken kalkulieren, um den Menschen zu helfen

In Krisengebieten weiß man oft nicht, wie sich Konflikte entwickeln: Hilfsanstrengungen für Flüchtlinge oder Rückkehrer werden zerstört, wenn sich die Fronten verschieben oder ein Konflikt neu aufflammt. Wie kann die KfW mit solchen Risiken umgehen?

Gauges: Entwicklungszusammenarbeit in Krisengebieten kann nicht ohne Risiko sein: Aber für uns ist es zentral, den Menschen zu helfen. Die Risiken müssen einkalkuliert und entsprechende Vorbereitungen getroffen werden. In Krisengebieten haben wir nicht das gleiche Anspruchsniveau wie bei klassischen Vorhaben der EZ – wichtig ist aber, dass die Unterstützung bei den Menschen ankommt, ihnen kurzfristig in der Notlage hilft und langfristig neue Perspektiven und Chancen bietet.

Im Moment sieht es so aus, als gebe es künftig eher mehr statt weniger Konflikte. Die Welt scheint gerade nicht besser, sondern eher konfliktreicher zu werden. Was bedeutet das für die Unterstützung für Flüchtlinge?

Gauges: Auch wenn es schwierig ist und bleibt: Ein Hauptziel muss es sein, Konflikte frühzeitig zu erkennen und ihnen rasch zu begegnen. Viele Konflikte entstehen aus Armut und mangelnden Perspektiven heraus, die radikale Gruppen für ihre Ziele ausnutzen. Wenn wir neue Chancen für die Menschen schaffen, vermeiden wir Krisen und Konflikte und bekämpfen Fluchtursachen.

Das Interview führte Michael Ruffert.

Herr Helmut Gauges, Direktor der KfW, Bereichsleiter Länderbereich Afrika/Nahost
Helmut Gauges ist als KfW-Bereichsleiter zuständig für den Nahen Osten und Afrika. In beiden Regionen gibt es viele Flüchtlinge.

Krisenherde: KfW engagiert sich für Flüchtlinge

Helmut Gauges, Bereichsleiter Afrika/Nahost der KfW, zu Nothilfe für Flüchtlinge und Perspektiven.

(23. April 2015)

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