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Meldung vom 02.04.2020 / KfW Entwicklungsbank

„Wir unterstützen unsere Partner mit einem Corona-Notprogramm“

Die KfW-Gesundheitsexperten und Mediziner Anna-Maria von Roda und Peter Reff über die Auswirkungen der Pandemie-Krise in Entwicklungsländern

Coronavirus
Frau von Roda, noch Anfang Februar haben Sie in einem wissenschaftlichen Papier die Herkunft des Corona-Virus beschrieben. Damals schien das ein chinesisches Problem zu sein. Hätten Sie gedacht, dass wir es nur wenige Wochen später mit einer Weltvirus-Krise zu tun haben und in Deutschland die Menschen zu Hause bleiben sollen?

Von Roda: Das Ausmaß der Krise war sicher nicht vorherzusehen, vor allem nicht, dass es uns in Europa so stark treffen würde. Aber es war schon deutlich, dass von dem Virus eine große Gefahr ausgeht. Auch bei SARS gab es ja vor einigen Jahren Fälle in Europa, die waren nur nicht so bekannt. Das aktuelle Corona-Virus überträgt sich leider viel leichter – und in unserer globalisierten Welt, in der die Menschen viel reisen, hat das eben zu dieser dramatischen Ausbreitung geführt.

Sie schrieben damals, in einem gut ausgebauten Gesundheitssystem könnten gefährliche Infektionsherde meist schnell erkannt, isoliert und bekämpft werden. Was ist schief gelaufen?

Von Roda: Man muss heute wohl sagen, dass die chinesische Regierung zu langsam reagiert hat. Obwohl der erste Fall bereits im Dezember bekannt war, wurden erst Mitte Januar weitreichende Maßnahmen erlassen, so dass sich der Virus in der Millionenstadt Wuhan ausbreiten konnte. Und die Behörden haben sich zu lange an dem Vorgehen bei SARS orientiert und Menschen mit starken Symptomen unter Quarantäne gestellt. Das Tückische bei Corona ist aber, dass infizierte Menschen oft erst nach längerer Zeit starke Symptome zeigen. Aber auch bei mildem Krankheitsverlauf kann man das Virus übertragen und andere Menschen anstecken.

In Deutschland liegen wir mit der Zahl der Infizierten im Moment an 5. Stelle in der Welt. In einigen unserer eigentlich schwächer entwickelten Partnerländer in Lateinamerika und Afrika sieht es laut offiziellen Zahlen noch besser aus, meist sind es unter 100 Infizierte. Woran liegt das?

Von Roda: In Lateinamerika stimmt das fast schon nicht mehr. Dort wachsen die Zahlen jetzt auch rasch an.

Reff: In Afrika spiegeln die gemeldeten Fallzahlen nicht die tatsächliche Lage wider. Ob zehn Mal oder hundert Mal so viele Menschen betroffen sind, lässt sich wegen der fehlenden Tests schwer abschätzen. Und verlässliche Gesundheitsdaten sind in Afrika oft nicht verfügbar, so dass man auch wenig über die Sterblichkeitsraten sagen kann.

Die Welthungerhilfe und andere Hilfsorganisationen befürchten allerdings viele Tote in Entwicklungsländern, weil die Gesundheitssysteme oft in desolatem Zustand sind.

Von Roda: Vielen Staaten in Afrika fehlt leider das Geld, um adäquat auf eine Pandemie reagieren zu können. Es gibt zwar oft nationale Aktionspläne zur Pandemie-Bekämpfung, aber die sind unterfinanziert. Bei schweren Krankheitsverläufen ist eine intensiv-medizinische Behandlung kaum möglich, künstliche Beatmungsgeräte sind Mangelware. Die Zahl der Intensivbetten in Krankenhäusern ist bezogen auf die hohe Bevölkerungszahl verschwindend gering.

Reff: Und es gibt extrem wenig Personal, das künstliche Beatmung durchführen könnte. Bei mittelschweren Verläufen ist die zusätzliche Sauerstoffgabe über eine Maske angezeigt, um eine weitere Verschlechterung zu verhindern. Das wäre personalseitig noch einigermaßen umsetzbar, aber auch hier fehlt es an der entsprechenden Ausstattung. Die Hoffnung liegt vor allem in der baldigen Verfügbarkeit von Medikamenten, die schwere Verläufe abmildern bzw. verhindern – und natürlich in einem COVID-19 Impfstoff. Die laufenden, über die KfW finanzierten Impfprogramme der globalen Impfallianz Gavi in Ostafrika können dann mit dem Impfstoff ergänzt werden.

Dann bleibt die Hoffnung, dass angesichts der jungen Bevölkerung – oft sind mehr als die Hälfte der Menschen jünger als 20 Jahre – die Pandemie besser verkraftet wird?

Reff: Ja, die Altersstruktur ist vermutlich der wichtigste Faktor, der die Auswirkungen der Pandemie in Afrika abschwächen könnte. Ob weitere Faktoren wie Mangelernährung und andere Krankheiten wie TB, HIV und die von Frau von Roda erwähnte Malaria wiederum negativ wirken, lässt sich nur sehr schwer abschätzen. Es gibt dazu einfach noch zu wenige fundierte Erkenntnisse.

Von Roda: Vielleicht, das weiß man auch noch nicht genau, spielen auch hohe Temperaturen und viel Licht eine Rolle, dass sich das Virus nicht so leicht verbreitet – allerdings steigen die Fallzahlen derzeit auch im warmen Australien stark an. Als gesichert kann wohl gelten, dass Kinder, die normal ernährt sind, nicht so stark von einer Erkrankung durch Covid-19 betroffen sind.

Gibt es oder plant die KfW Entwicklungsbank Initiativen, um den Partnerländern bei der Bekämpfung der Pandemie zu helfen?

Von Roda: Natürlich, das ist jetzt eine sehr dringliche Aufgabe. Wir haben als KfW Entwicklungsbank bereits für das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Vorschläge für ein Programm zur schnellen Hilfeleistung ausgearbeitet. Dabei geht es darum, den Ländern bei der Bekämpfung der Pandemie zu helfen und die Gesundheitssektoren weiter zu unterstützen. Wir wollen etwa den ost- und westafrikanischen Ländern dabei helfen, ihre Laborkapazitäten für Corona fit zu machen. Wegen der erwarteten wirtschaftlichen Folgen wird es aber auch verstärkte Unterstützung für den Finanzsektor sowie kleine und mittlere Unternehmen und Programme zur sozio-ökonomischen Stabilisierung geben.

Reff: Wir knüpfen dabei an bereits laufende Programme an. Ich betreue zum Beispiel ein Projekt, bei dem wir in Zusammenarbeit mit dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg sechs Länder der Ostafrikanischen Staatengemeinschaft EAC unterstützen, ein Frühwarnsystem für Epidemien und Pandemien aufzubauen. Für den Betrieb von mobilen Laboren, die in diese Länder geliefert werden, wurde bereits Personal für genau die Technologie ausgebildet, die jetzt bei der COVID-19-Diagnostik zum Einsatz kommt. Gleichzeitig konnte den nationalen Referenzlaboren der sechs EAC-Länder ein erstes Kontingent an Tests geliefert werden. Außerdem unterstützen wir seit Jahren im Auftrag des deutschen Bildungs- und Forschungsministeriums (BMBF) Forschungen für neue Diagnostik, Medikamente und Impfstoffe in Afrika. Die dabei entwickelten Diagnostikplattformen sind auch für COVID-19-Tests relevant. Für sämtliche COVID-19-relevanten Beschaffungen ist aber der Weltmarkt gerade leergefegt und Hilfslieferungen sind extrem schwierig umzusetzen. Umso wichtiger ist es, die Gesundheitseinrichtungen in unseren Partnerländern finanziell bei allem zu unterstützen, was kurzfristig mit lokal verfügbaren Mitteln möglich und sinnvoll ist. Finanzielle Unterstützung muss so schnell wie möglich bei denen ankommen, die im Kampf gegen COVID-19 an vorderster Front stehen – wo immer es dazu etablierte Strukturen gibt, sollten wir diese nutzen.

Welchen Stellenwert hatten Projekte zur Gesundheitsvorsorge bislang in der KfW und wird sich das ändern?

Von Roda: Wie mein Kollege bereits beschrieben hat, hat die Bekämpfung von Infektionskrankheiten und von Pandemien bereits bislang eine große Rolle gespielt. Da haben wir seit 2014/2015 auch viel aus der Ebola-Krise in Westafrika gelernt. Wir engagieren uns aber auch weiterhin beim Kampf gegen HIV oder unterstützen die Mutter-Kind-Gesundheit. Das gilt nicht nur in Afrika, sondern natürlich auch in Asien und Zentralasien. Letztlich geht es darum, die Gesundheitssysteme der Partnerländer zu stärken und insgesamt langfristig und dauerhaft leistungsfähiger zu machen.

Reff: Genau, und dabei müssen wir besonders darauf achten, dass natürlich auch benachteiligte und arme Bevölkerungsgruppen von verbesserten Gesundheitssystemen profitieren. Es bleibt zu hoffen, dass auch in den Entwicklungsländern nach der Krise die Budgets für den Gesundheitssektor steigen. Wir alle werden aus dieser Pandemie lernen. Dabei sollten wir genau hinhören, welche Schlüsse unsere Partner ziehen und wo sie unsere Unterstützung besonders brauchen und wollen.